Der Kampf um Hamm.
„ Seit
Herbst 1944, da die Luftangriffe in verstärktem Maße wieder auf die
Stadt Hamm einsetzten, lebte die Einwohnerschaft fast ausschließlich nur
noch in den Luftschutzräumen. Vor allen Dingen waren die 10 Hochbunker
stets überbelegt, da sie allein gegen die immer schwerer werdenden
Angriffe, mit denen die Stadt schließlich bis zu dreien in jeder Woche
bedacht wurde, wirksamen Schutz boten. Hier zollt dem Stadtbaumeister
Fraatz ein besonderes Lob, denn die Bunker waren so gebaut, dass sie
auch den stärksten Bomben standhielten, während in anderen Städten auch
diese Bunker dem Bombenhagel nicht immer gewachsen waren.
Die
Lebensmittelversorgung konnte während der ganzen Zeit erstaunlicherweise
in ausreichendem Maße aufrecht erhalten werden. Lediglich in der Strom-
und Gaszufuhr trat öfters eine Unterbrechung ein. Die Wasserbelieferung
(Trinkwasser) dagegen blieb durchweg gestört, so dass die Bevölkerung
auf alte Brunnen, Feuerlöschteiche, Tümpel und gelegentliche höchst
unzureichende Zufuhren in städtischen Sprengwagen angewiesen waren.
Gegen
Mitte März 1945 ließen die Luftangriffe an Stärke und Zahl
auffallend nach, um endlich ganz aufzuhören. Statt dessen nahmen die
Tieffliegerangriffe – vor allem auf die Eisenbahn- zu. Als dann der
Kanonendonner immer näher rückte und in der letzten Woche vor Ostern
auch in den Zufahrtstraßen von Hamm Panzersperren errichtet wurden,
wusste oder ahnte wohl jeder, dass die feindlichen Truppen in nächster
Nähe waren. Tatsächlich befanden sich am 29. März 1945
(Gründonnerstag) die Amerikaner bereits im benachbarten Bockum-Hövel
und es ging das Gerücht um, die Stadt Hamm solle zum Hauptstützpunkt
erklärt und von der Bevölkerung geräumt werden.
Am 30.
März 1945 (Karfreitag) lag die Nordenvorstadt, insbesondere der
Vorbahnhof Heessen, bereits unter Artilleriebeschuß und einige Granaten
schlugen auch schon in der Nähe des Bahnhof von Hamm ein.
Am 31.
März 1945 ( Ostersamstag) wurde ein am Lohweg haltender Eilgüterzug,
der in der Hauptsache mit Lebensmitteln beladen war, von der Bevölkerung
und von ausländischen Arbeitern geplündert. Gegen 19,00 Uhr setzte eine
starke Beschießung mittels Artillerie- und Granatwerferfeuer auf die
gesamte Stadt ein, während es tagsüber verhältnismäßig ruhig war, so
dass noch viele Bewohner ungehindert die Stadt verlassen konnten. In der
Nacht zum 1. April 1945 (Ostersonntag) stießen die amerikanischen
Panzerspitzen in die Nordenstadt vor. Gegen 01,45 Uhr gab der
Revierleiter, Polizeimeister Voß, 3. Polizeirevier, folgende
fernmündliche Meldung an das Kommando der Schutzpolizei – Polizeimeister
Schuster - durch:
„Amerikanische Truppen besetzen im Augenblick Hamm – Norden. Ecke
Münsterstraße – Heessener Straße stehen einige amerikanische Panzer. Da
keine deutschen Soldaten hier zu sehen sind, werde ich befehlsgemäß mit
noch einem Polizeibeamten auf dem 3, Polizeirevier verbleiben. Die
übrigen Beamten werden sich zur Polizeidirektion zurückziehen.“
Es konnten
sich jedoch nur einige Beamten zur Stadt durchschlagen. Die übrigen
Beamten gerieten in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Kurz nach 02,00
Uhr wurden die Straßenbrücken über die Lippe im Zuge der Münsterstraße –
Nordstraße und Fährstraße deutscherseits gesprengt. Im Laufe der Nacht
fühlte der Feind von der Nordenvorstadt aus auf dem Bahnkörper – die
Eisenbahnbrücken über Kanal und Lippe waren nicht gesprengt worden –
nach Süden zum Bahnhof behutsam vor. Zur gleichen Zeit etwa wurde im
Bunker am Schillerplatz ein angeblicher Befehl der NSDAP verlesen,
wonach alle Frauen und Kinder sofort die Stadt zu verlassen hätten.
Jetzt entstand unter den Bunkerbesuchern ein unbeschreiblicher Tumult.
Die Mehrzahl weigerte sich, und diejenigen, die dem Befehl nachzukommen
suchten, musste ihr Vorhaben bald wieder aufgeben, da der südliche
Stadtteil nunmehr auch unter feindlichem Artillerie- und
Grantwerferfeuer lag. Inzwischen hatten die Amerikaner nach Gefechten
das Bahnhofsgebäude erreicht und sich dort, sowie auf dem etwa 150 m
südlich davon am Schwarzen Weg liegenden Eisenbahn-Wasserturm,
festgesetzt. Von hieraus leitete der Feind den weiteren Kampf. Am
Nachmittag lag feindliches Artillerie- und Granatfeuer vor allem auf der
Straßenkreuzung Ostenallee – Fährstraße (Bad Hamm), während
deutsche Batterien aus Richtung Westtünnen den Bahnhof bestrichen.
Am 2. April
1945 (Ostermontag) entlang dem
Lippe-Seitenkanal drang der Feind auf der Hafenstraße sowohl in den
westlichen Stadtteil, als auch nach Osten hin zur Stadtmitte vor.
Kampfhandlungen mit wechselndem Glück entwickelten sich darauf am frühen
Nachmittag im Stadtinnern (Altstadt). Tiefflieger warfen Flugblätter ab,
in denen vor allem die Frauen aufgefordert wurden, sich für Aufgabe des
zwecklosen Kampfes einzusetzen.
Die übrigen
Stadtteile lagen weiter unter feindlichem Artillerie und Granatfeuer, so
dass in der Nacht noch ein Deckungsgraben von der Polizeidirektion in
der Hohen Straße (Sitz der Polizeidirektion, Luftschutzleitung,
Schutzpolizei, Luftschutzpolizei usw.) zum Bunker an der Ecke Sedanstr.-
Feidikstraße (Kampfstand des, die deutschen Truppen in der Stadt Hamm
befehlenden Major Schmidt.) ausgehoben wurde. Hierzu wurden alle
verfügbaren Angehörigen der Polizeidirektion Hamm herangezogen. Diese
Ausschachtungs-arbeiten mussten wegen des allzustarken
Granatwerferfeuers von Zeit zu Zeit unterbrochen werden.
Am 3.
April 1945 (Dienstag) drang der Feind von Heessen kommend nunmehr
auch auf der Fährstraße nach Süden vor. Es gab Spähtruppzusammenstöße in
allen Stadtteilen, insbesondere aber an der Eisenbahn am Schwarzen Weg.
Die Zentrale der Stadtverwaltung befand sich in der Wohnung des
Oberbürgermeisters, hier, Ostenallee 84. Ein nunmehr von der Gauleitung
der NSDAP befohlener Aufruf zur Evakuierung der Stadt führte zu Unruhe
und Ablehnung, da er infolge des lebhaften Beschusses praktisch nicht
mehr durchführbar war.
Am 4.
April 1945 (Mittwoch) nahm das Feuer auf die Stadt gewaltig zu. Die
deutsche Wehrmacht hatte den Befehl erhalten, sich in der Nacht vom
Feinde abzusetzen und die Stadt zu räumen. Das geschah auch ab 21,00 Uhr
unter starkem feindlichen Beschuß. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Hammer
Polizei südöstlich von Hamm an der Ahse eingesetzt werden. Später wurde
jedoch vom Kampfkommandanten entschieden, dass die jüngeren Jahrgänge
der Schutzpolizei, der Polizeireserve und Luftschutzpolizei nach Kump
zusammengezogen wurden. Durch Tiefflieger wurden hier die Fahrzeuge der
Polizei zusammengeschossen. Die Polizeidirektion in der Hohe Straße
wurde von den restlichen Beamten besetzt und der Dienstbetrieb – so gut
es ging – aufrechterhalten.
Am 5.
April 1945 (Donnerstag). Gegen 05,00 Uhr, nachdem die letzten
deutschen Truppen abgezogen, verließ auch der Oberbürgermeister vom
Städt. Krankenhaus aus die Stadt. Seine Vertretung übernahm Stadtbaurat
Haarmann. Im südlichen Stadtteil hatten sich kleinere Trupps von
SS-Soldaten eingefunden, die sich erneut zur Verteidigung einrichteten.
Währenddessen lag auch weiterhin feindliches und deutsches
Artilleriefeuer auf der gesamten Stadt, so dass noch gegen Mittag vor
dem Bunker Schillerplatz 10 Personen zu Tode kamen. Inzwischen hatten
sich an der südlichen Stadtgrenze vereinzelte Gefechte entwickelt. Auch
hier griff der Feind trotz seiner großen Übermacht nur sehr zaghaft und
vorsichtig an. Der letzte Infanteriekampf in Hamm wurde südlich der
Alleestraße (zwischen Grünstraße und Gallberger Weg) ausgetragen.
Hierbei fielen etwa 15 deutsche und einige amerikanische Soldaten. Der
Rest der deutschen Soldaten geriet in Kriegsgefangenschaft.
Am 6.
April 1945 (Freitag), gegen 09,00 Uhr erschien erstmaligein
amerikanischer Offizier mit etwa 20 Soldaten vor der Polizeidirektion,
der mit Polizeidirektor Dr. Rotmann über Waffenabgabe und Einsatz der
deutschen Polizei verhandelte. Gegen 17,00 Uhr wurden Polizeidirektor
Dr. Rotmann und Polizeirat Leise von den Amerikanern gefangen genommen.
Mit der Führung der Hammer Polizei wurde Revierhauptmann Seifert
zunächst beauftragt. Sämtliche Polizeibeamten Zivilkleidung anziehen und
ohne Waffen ihren Polizeidienst weiter versehen. Die Bewachung und
Sicherung der lebenswichtigen Betriebe (Behörden und Lebensmittellager
pp.) stand dabei im Vordergrund. Unzählige plündernde Personen konnten
festgestellt und später zur Anzeige gebracht werden.
Am 7.
April 1945 (Sonnabend). Gegen 09,00 Uhr erschien in der
Polizeidirektion der amerikanische Major Reilly, der dem Stadtbaurat
Haarmann den Befehl gab, die verantwortliche Leitung der Stadtverwaltung
und der Polizei ( als Bürgermeister) zu übernehmen. In laufender
Zusammenarbeit mit Major Reilly als vorläufiger Kommandant (bis zum
Eintreffen der englischen Kreiskommandantur nach einigen Tagen) musste
die Verwaltung und das wirtschaftliche Leben wieder in Gang gebracht
werden. Die verantwortliche Leitung der Polizei (einschließlich
Kriminalpolizei) übernahm am 8.4.1945 der aus amerikanischer
Kriegsgefangenschaft (1Tag, der Verfasser) zurückgekehrte Kommandeur
der Schutzpolizei, Major Levsen. Ihm allein ist es zu verdanken gewesen,
dass die Hammer Polizei vor größeren und unnötigen Verlusten verschont
geblieben ist. Mit seiner sicheren und korrekten Führung hat er die
Polizei in Hamm durch alle Wirrnisse und Schwierigkeiten
hindurchgebracht und die Bevölkerung vor größeren Plünderungen, die
damals in der Hauptsache von Fremdarbeitern und verbrecherischen
Elementen vorgenommen wurden, geschützt.
Mit dem
Eintreffen der englischen Kreiskommandantur wurde die Hammer Polizei von
dem Public Safety Officer A.M. Mitchell S/Ldr. beaufsichtigt und
überwacht.
Als
Polizeidirektor wurde am 1.Juli 1945 auf Anordnung der
Militärregierung und des Regierungspräsidenten in Arnsberg, Herr Peter
Röttgen eingesetzt.“ |