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Das Ende des II. Weltkrieges, aus der Sicht der Hammer Polizei.

Von Polizeihauptkommissar  a.D. Siegfried Paul

 

Gespräch mit dem Polizeidirektor Dr. Eberhard Rotmann.

 
Dr. Eberhard Rotmann war bis zum Kriegsende Polizeidirektor in Hamm und damit gleichzeitig auch Luftschutzleiter. Ihm unterstand sowohl die Polizei, als auch die Luftschutzpolizei und die Feuerlöschpolizei. Dr. Rotmann war damit der beste Kenner aller Vorgänge innerhalb der Luftschutz- und Polizeiführung.  Einen kompetenteren Gesprächspartner über die Vorgänge zum Kriegsende in Hamm, konnte ich daher auch nicht finden. Mit Dr. Rotmann führte ich am  25.02.1986 in seiner Anwaltskanzlei in Burgsteinfurt das nachfolgende Gespräch, welches ich auf Tonband aufzeichnen durfte.:
 
Paul:  Herr Dr. Rotmann. In den mir vorliegenden Beschreibungen der letzten Kriegstage in Hamm, gibt es, wenn es um die Einnahme der Polizeidirektion Hamm geht, drei verschiedene Schilderungen. Dabei natürlich auch drei verschiedene Varianten über die Rolle des Polizeidirektors Dr. Rotmann. Mich würde nun interessieren, wie sie selbst den letzten Kriegstag in Hamm, bzw. ihre Festnahme erlebt haben
 

Dr. Rotmann:  Also Herr Paul. Die Amerikaner waren kurz vor Hamm. Da bin ich noch mit dem Motorrad auf die andere Lippeseite nach Hamm-Norden gefahren. Da befand sich auch ein Bunker. Und als ich in dieser Gegend war, hörte ich die Kugeln pfeifen. Die Amerikaner griffen von Heessen aus an. Am nächsten Tag hatte die Wehrmacht beschlossen, wir machen einen Gegenangriff, es kommen noch Unterstützungskräfte. Die kamen aber nicht. Nun war die Befehlslage aber auch nicht immer so klar, wie man sich das vorstellt. Es ging schon einiges drunter und drüber. Ich selbst hatte mit dem Kampfkommandanten verhandelt und mich mit ihm geeinigt. Die Polizei bekam von mir den Befehl, abzurücken. Ich selbst bin mit abgerückt und habe in einer Wohnlaube, etwa kurz hinter der Autobahn in Höhe Kump, etwas weiter war eine Mühle, da hatte ein Direktor der WDI ein Wochenendhaus, und den Abend habe ich da mit den Leuten in dem Wochenendhaus verbracht. Dann kam die Wehrmacht. Wir trafen uns dort, so wie wir es vereinbart hatten. Wie der Kommandeur hieß, weiß ich im Augenblick nicht mehr. Ich fragte ihn, was machen wir denn nun, haben Sie noch Gewehre ? Der sagte mir, Leute habe ich jetzt hier genug, ich habe aber kaum noch Waffen. Da habe ich befohlen, dass die Beamten die Gewehre die sie hatten, abgaben. Wir sind keine kämpfende Truppe, gebt die Gewehre den kämpfenden Truppen.

 

Dann habe ich die gesamte Polizeitruppe zurück in die Stadt befohlen. Unsere Fahrzeuge waren zum größten Teil bei einem Fliegerangriff da oben bei Kump zerstört worden. Wir konnten also ohnehin nicht viel weiter. Also geht wieder rein in die Stadt, wir müssen jetzt für Ruhe und Ordnung sorgen. Gewehre haben wir nicht mehr, uns tun sie nichts. Und, Herr Paul, heute kann ich es ihnen sagen, ich hatte ganz klar die Absicht des Kampfkommandanten erkannt. Der wollte soviel Soldaten und Polizei aus der Stadt haben wie eben möglich, um unnötige Kämpfe und Verluste zu vermeiden. Natürlich wurde das nicht offen angesprochen, aber uns war beiden klar, dass wir wusste was der andere wollte und dachte.

 

Ich bin dann mit meinem Fahrer zurück nach Hamm und da durch die Straßen noch bis zum Bahnhof gekommen. Wir sind auf eine amerikanische Streife gestoßen und da habe ich mit dem Offizier das erste Mal verhandelt. Ich habe mich zu erkennen gegeben und gesagt, dass wir nur noch für Ruhe und Ordnung sorgen wollten und der Offizier hat zugestimmt und mich weiter fahren lassen. Ich bin dann zur Direktion und habe noch einen Befehl herausgegeben, nach dem die weiße Fahne nicht gezeigt werden sollte. Ich habe diesen Befehl noch heute. Anhand dieses Befehles, kann auch noch genau der Tag festgestellt werden. Es war der 5. April 1945. Übrigens fällt mir jetzt auch der Name des Kommandanten der Wehrmacht ein, mit dem ich verhandelt hatte. Es war ein Oberst Damisch. Mein Fahrer war damals Billet-Marzahl. Doch das nur so nebenbei, weil es mir gerade wieder einfällt. Der Befehl, den ich gegeben habe, lautete sinngemäß:

Ich habe die Dienstgeschäfte wieder aufgenommen und mache darauf aufmerksam, dass die Bevölkerung keine weiße Fahne zeigen darf.

Diesen Befehl habe ich erlassen, weil ich nicht wusste, ob die Wehrmacht noch Teile in der Stadt hatte. Außerdem sollten noch versprengte SS-Truppen im südlichen Stadtteil sein.  Und wenn die weiße Fahne gezeigt wurde und die Wehrmacht schießt, dann wurden wir bombardiert bzw. wieder durch Tiefflieger beharkt.  Verstehen sie ?. Wenn die Amerikaner also die weiße Fahne hätten und wären gekommen, weil wir übergeben wollten und die Wehrmacht hätte geschossen, dann hätten die Amerikaner sich sofort zurückgezogen und hätten uns unter starken Beschuß gelegt und diese Sache hätte Opfer gefordert, die ich vermeiden wollte. Aber hier finde ich gerade den Befehl, den ich ihnen in Ablichtung mitgebe. (Vermerk: Dieser Befehl wird in der Anlage abgedruckt. Der Verfasser).

 
Die Nacht über habe ich in Hamm verbracht. Am anderen Tage, also wohl am  6.4.1945, bin ich erst noch mit Billet-Marzahl durch die Stadt gefahren. Ich musste mich noch um einige Angelegenheiten in den Bunkern kümmern. Dann hatten wir späten Morgenstunden eine Besprechung unten im Befehlsraum der Polizeidirektion, da kam die Streife der Amerikaner mit MPi  unten rein. Wir saßen noch in der Besprechung. Die Streife war vorher in der Waffenkammer der PD gewesen. Im Waffenraum waren meine privaten Jagdwaffen. Der Begleiter der Strafe kam mit meiner Jagdwaffe über der Schulter unten in diesen Raum rein. „Wer ist hier der Chef ?“, ich meldete mich. „Kommen Sie mit“.  Damit war ich zunächst festgenommen. Wir haben dann aber noch über die Übergabe der Stadt Hamm von Seiten der Polizei an die Amerikaner verhandelt. Für den frühen Nachmittag  wurde dann eine Besprechung mit dem amerikanischen Colonel angesetzt. Hierbei ging es noch um die Waffen, die die Polizeibeamten in ihrem Besitz hatten. Außerdem wurde ich aufgefordert, auch das 2. Revier zu übergeben. Aber das war nicht so einfach möglich. Die Frontlinie verlief im Westen irgendwo zwischen  der Bahnlinie und der Wache. Die genaue Situation stand nicht fest. Von meinem Kommandeur, dem Major Levsen, war die Wache aber bereits angehalten, keinerlei Widerstand zu leisten und nur noch für Ruhe und Ordnung zu sorgen. (Vermerk: Major Levsen befand sich Polizeiarzt Dr. Wilms auf dem 2. Revier, Wilhelmstraße 129. der Verfasser). Das habe ich auch gesagt. Als Dolmetscher fungierte damals auch der Billet-Marzahl, ein tapferer Mann. Nach der Besprechung wurden wir dann förmlich in Gefangenschaft genommen. Wir wurden zunächst in ein Möbelgeschäft auf der Bahnhofstraße gebracht. (Möbel Herlitz, der Verfasser).  Das war an der Ecke zu der kleinen Stichstraße  zum Bahnhof. ( Luisenstraße, der Verfasser).  Wir waren aber nur ca. eine viertel Stunde  dort und wurden dann in einem Jeep über die Eisenbahnbrücke am Bahnhof in ein Haus gebracht, wo wir die Nacht über bleiben sollten. Wir wurden dann später getrennt, aber festgenommen wurden wir beide im Polizeigebäude am 6.4.1945 in den frühen Nachmittagsstunden, so gegen 14 bis 15 Uhr. Und ich war auch nicht in Zivil, sondern in voller Uniform, mit meinen Orden. ( Vermerk:  Dr. Rotmann wurde im Vorgespräch von mir darüber informiert, das Willy Schuster in einem Bericht, den er Jahre später für „Das Fenster“, eine Zeitung für ältere Mitbürger in Hamm, beschrieben hatte, das Polizeidirektor Rotmann seine Uniform im Keller der PD gelassen habe und geflohen sei. So sei es zur Festnahme des Polizeirat Leise gekommen, der als Stellvertreter des Dr. Rotmann allein in der PD gewesen sei. Diese Angaben wurden nun von Dr. Rotmann wiederlegt, der seine Uniform auch in Burgsteinfurt aufbewahrt hat. Der Verfasser.)
 
Frage Paul: Bei der Einnahme der PD sollen sich noch größere Mengen von Waffen und Munition auf dem Hof der PD befunden haben, weswegen die Amerikaner besonders vorsichtig den Komplex PD eingenebelt und dann erst betreten haben.
 
Dr. Rotmann: Davon ist mir nichts bekannt, das kann ja auch wohl nicht sein. Wenn diese Waffen da gewesen wären, dann hätte ich sie , als ich den Befehl gab nach Kump abzurücken, doch wohl mitgenommen. Wenn da noch Waffen gewesen wären, hätte ich das doch wohl auch dem Wehrmachtskommandanten gesagt, ich weiß noch genau wie der sagte: „ Ich habe Soldaten aber keine Gewehre“, und daraufhin haben wir unsere Gewehre übergeben.
 
Frage Paul: Herr Dr. Rotmann, aber wie ging das nun weiter, nachdem Sie und der Herr Billet-Marzahl im Norden waren ?.
 
Dr. Rotmann: In Hamm-Norden wurden wir vernommen. Zum Beispiel wollten die Amerikaner wissen, ob sich in den  Bunkern auf der Union Schießscharten befänden, weil sie da wohl angreifen wollten. Und da sagte ich , das kann ich nicht sagen, ich bin da noch nicht gewesen, aber normalerweise haben Luftschutzbunker keine Schießscharten. Die Luftschutzbunker sind für die Zivilbevölkerung da.  Weiter fragten sie mich vor allem nach militärischen Einzelheiten, aber da konnte ich  nicht viel sagen, weil ich kaum Kontakte zur Wehrmacht hatte. Und dann brachten sie mich nach Ahlen auf den Bahnhof und da habe ich die Nacht im Wartesaal verbracht. Den Billet-Marzahl habe ich nie wieder gesehen. Ich habe aber vor einiger Zeit von der Stadtarchivarin aus Hamm gehört, dass er überlebt hat und damals fliehen konnte. Na in Ahlen wurde ich dann am anderen Morgen mit mehreren  anderen Gefangenen durch den Fahrkartenschalter gebracht. Da stand ein Posten und einige wurden dort schon freigelassen. Da war z.B. auch ein Polizeibeamter der freigelassen wurde. Er sollte sich bei seiner Dienststelle melden. Ich erinnere mich daran, weil der einen Mantel anhatte und als er jetzt gehen durfte habe ich ihn gebeten, mir seinen Mantel zu geben, weil ich keinen hatte. Das hat er aber abgelehnt. Na, dann wurde ich aufgeladen auf einen LKW und es ging in Richtung Autobahn. Noch bei Ahlen hielten wir noch mal an, es war eine ganze Kolonne , und jemand rief: „ Offiziere links raus.“  Es entstand kurz eine unübersichtliche Situation und als ich dann so etwa 100 Meter von der Kolonne weg war, habe ich mich platt auf den Boden geworfen. Ich bin ausgebüxt. Dadurch kam ich zunächst nicht in Gefangenschaft. Ich bin nach Burgsteinfurt gelangt, wurde aber dann doch festgenommen und kam in ein Lager an der Küste in Frankreich. Da ich aber nicht der SS angehört hatte, wurde ich im Juli nach Münster entlassen.  Ich wurde dann aber nur 5 Tage später erneut festgenommen und wurde in ein Gefangenenlager nach Recklinghausen gebracht. Dort habe ich bis Juni 1947 gesessen. Dann wurde ich entlassen.  Ich wurde bei der Entnazifizierung in Klasse III eingestuft. Später dann durch die Engländer in Klasse –V-. Mir wurde nur lapidar mitgeteilt, dass meine Einstufung in Klasse III ein „Mistake“ gewesen sei.“
 
Soweit der Gesprächsbericht des Polizeidirektors Dr. Eberhard Rotmann.