Das erste Auto in Hamm
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Anlage
Bildseite 1

Wer fuhr das erste Automobil in Hamm ?

 

Von Polizeihauptkommissar a.D. Siegfried Paul

 

Die Antwort auf diese Frage habe ich per Zufall gefunden, als ich an einem wunderschönen Aprilsonntag 2007 mit meiner Frau in der Innenstadt war. Dort wollte ich für den Restaurantbesitzer Chen, der sein Lokal seit  dem Jahresende 2006 in der Weststraße 9 hat, einige Fotoaufnahmen machen. Herr Chen interessierte sich für die Geschichte seines Hauses und ich hatte ihm mehrere alte Postkarten von seinem Haus und der alten „Großen Weststraße“, wie sie damals hieß, in Kopie gegeben.  Der Zufall wollte es also, dass ich an diesem Tage in „Chen`s Restaurant“ einen jungen Mann kennen lernte, mit dem ich schnell in ein Gespräch über die alte Stadt Hamm und vor allem über die alte Bausubstanz in der Weststraße kam. Es stellte sich heraus, dass er der Besitzer des Hauses Weststraße 10 ist. Michael Dirkling, Besitzer des Hauses, in dem sich heute das Uhren- und Schmuckgeschäft „Mandoo“ befindet und in dem vorher „Mahlberg“ seine Geschäftsräume hatte.  Wie es der Zufall will arbeitete meine Tochter bei „Mahlberg“ und hat dort ihren Ehemann kennengelernt. So klein ist die Welt, mein heutiger Schwiegersohn kommt aus Österreich und war damals Geschäftsführer bei „Mahlberg“ . Doch zurück, Michael Dirkling  ist ein Nachkomme der Familie Middendorf, in deren Besitz sich das Haus Weststr. 10  seit  mindestens 1879 befand. Bei einer Besichtigung konnte ich im Keller des Hauses den alten Grundstein von 1785 sehen, der mit dem Namen des Bauherrn „Knippink“ versehen ist. Auf den alten Kellergewölben ist das heute dort stehende Haus wieder errichtet worden und zwar noch im 18. Jahrhundert. Nachweislich brannte das Haus 1741 bei dem großen Stadtbrand von Hamm ab. Die Tochter des Erbauers, Christine Knippink, die das Haus von ihrem Vater geerbt hatte, starb am 31. Oktober 1856 und vererbte das Haus an ihren Ehemann  den Schlosser Mathias Schmitz, der seine Schlosserwerkstatt im Hofe des Hauses betrieb. Dies belegt eine Inventurliste vom 20. Januar 1857, die der Gerichtstaxator Fuhrmann in Hamm erstellte. Später betrieb in dem Haus die Firma Middendorf  ein Eisenwarengeschäft und verkaufte auch „Weißwaren“ und Fahrräder der Firma Adam Opel. Diedrich Middendorf hatte die Werkstatt und den Laden gemietet und später an seinen Sohn Heinrich Middendorf übergeben. Heinrich Middendorf heiratete später die Roberta Schmitz, eine Tochter des Mathias Schmitz und der Christine Knippink, die 1832 geboren war. So kam das Haus Weststr. 10 in den Besitz von Heinrich Middendorf. Gustav Middendorf, geb. 18.02.1869, ein Sohn des Heinrich Middendorf und der Roberta Schmitz, war ebenfalls Schlossermeister und übernahm die Werkstatt im Hofe des Hauses, zur Brüderstraße hin gelegen und natürlich auch den Laden und das Haus. Und genau dieser Gustav Middendorf, kaufte im Jahre 1909 das erste Automobil, welches nun in Hamm seinen Standort hatte.

Während sich noch die Leute über die ersten Fahrten der Autokonstrukteure lustig machten, war doch allmählich  ein brauchbares Fahrzeug entstanden, brauchbar insofern, als es nach jeder halben Stunde nachgesehen werden musste. Heute ist es uns fast unerklärlich, dass die Fahrer wegen der zahlreichen Pannen nicht verzweifelten, aber die Leute waren ja damals noch nicht so auf das Auto angewiesen wie heute. So ist es auch dem ersten Autobesitzer in Hamm ergangen, dem Schlossermeister und  Kaufmann Gustav Middendorf, der sich nun einen Adam-Opelwagen zulegte. Der Ausdruck „Wagen“ ist insofern berechtigt, als es sich  um eine Kutsche handelte, die statt der Pferde einen 13 PS Motor hatte.

         1937 erzählte Gustav Middendorf, nach Aufzeichnungen von Michael Dirkling,     

         noch folgende Geschichte:

 

  „ Der Wagen,  war der zweite, der von der Firma Adam Opel gebaut wurde. Anschaffungspreis 4000 Mark. Da ich für die umliegenden Schmiedewerkstätten in Bockum, Hövel, Heessen, Ahlen, Beckum, Unna, Soest  u.a. Opel-Fahrräder lieferte, musste ich zum Besuch der Kundschaft ein Automobil haben. Das war immer eine aufsehenderregende Fahrt, denn fast an jeder Schmiede wurde die „Karre“ nachgesehen.

Um auf der Landstraße nicht hilflos dazustehen, hatten wir immer  die halbe Werkstatt, sowohl Arbeiter als auch Handwerker bei uns.

Wehe wenn das Auto seine launischen Tage hatte!  Dann schraubten und klopften wir an dem Wagen herum, bis er wieder bis zum nächsten stehen bleiben lief. Nach einem Jahr kaufte ich mir dann einen Wagen der französischen Firma Peugeot, an dem ich ebenso viel Freude und Leid hatte. Mit den Jahren wurden die Autos immer besser. Kurz vor dem Krieg (gemeint ist der 1. Weltkrieg.  - der Verfasser-) gab es dann Autos, auf die man sich „halbwegs“ verlassen konnte.“      

     Bei dem Opelwagen von 1909 handelte es sich um den sogenannten „Doktorwagen“, der entscheidend zum Erfolg der Verbreitung des Automobils beigetragen hatte.  Adam Opel hatte erkannt, dass der hohe Preis ein Hindernis beim Verkauf war.  Der Opel 4/8, wie der „Doktorwagen offiziell hieß, war ein kleiner und wendiger Wagen, der einfach rangiert und gefahren werden konnte und zwar ohne ausgebildetem Chauffeur, dafür aber preiswerter gebaut werden konnte.

Mit dem Erfolg dieses Automobils baute die Adam-Opel-Gesellschaft dann ihr Betreuungsnetz aus. Was lag näher, als eine Opel-Niederlassung direkt neben der Werkstatt von Gustav Middendorf zu errichten. Genau dies erfolgte dann auch und der gerade errichtete Neubau Große Weststr. 12 beherbergte dann die Niederlassung der Adam-Opel Werke. Aus alten Grundstücksakten des Herrn Dirkling geht noch hervor, dass diese Niederlassung 1928 von Fritz Kiffe geleitet wurde, der das Grundstück von der Witwe Borberg gekauft hatte. Das Haus erregte wegen seiner Fassade damals viel Aufsehen. Die Fassade ist noch heute im Urzustand erhalten. Später zog dann dort die Sparkasse Hamm ein. Der Erfolg der Adam-Opel-AG und der Firma Kiffe, benötigte mehr Platz für Werkstätten, die Werkstatt von Gustav Middendorf reichte einfach nicht mehr aus. Fritz Kiffe baute eine eigene Fachwerkstatt für Opel auf.

(Werkzeuge und Ersatzteile aus der alten Werkstatt befinden sich noch heute im Besitz des Herrn Dirkling. Ebenso hat er noch ein altes Adam Opel Fahrrad aus dieser Zeit verwahrt. Bilder in der Anlage. Der Verfasser.)

      In weiteren Aufzeichnungen verweist Gustav Middendorf dann auf seinen  alten Werkmeister Schmerge, mit folgenden Worten:                                               

 „Wenn Sie mehr wissen wollen von unseren Reiseerlebnissen, dann gehen Sie doch mal zu unserem alten Werkmeister a.D. Schmerge, der kann Ihnen noch viel erzählen. Eins will ich Ihnen aber noch erzählen:  Als wir mal mit unserem Auto ratternd und prustend  in Drensteinfurt ankamen, rannte ein altes Mütterchen in rasender Angst  erschrocken davon und schrie aufgeregt:“ Um Gotteswillen, de Düwel kümmt!“

 

      Nach der Niederschrift war der Herr Schmerge leider nicht zu Hause, er befand sich in der Eifel, sein Sohn Alois, ebenfalls Werkmeister bei Middendorf , konnte aber den Vater vertreten und hatte ebenfalls viele Geschichten auf Lager.:

     „Ja, unser Vater hat oft von dem ersten Auto Hamm`s erzählt. Es wurde mit der Bahn nach Hamm verfrachtet, da es den „weiten“ Weg von Rüsselsheim nach Hamm nicht bewältigen konnte. In Rüsselsheim legte mein Vater bei Fritz von Opel die Prüfung ab, indem er von einer Garage in die andere fahren musste. Er war einer der ersten Autofahrer von Westfalen. In Hamm begannen dann die täglichen Scherereien mit dem Wagen. Mein Vater erzählte uns oft am Abend von seinen Erlebnissen auf der Landstraße. : Einmal fuhr das Auto, natürlich mit starker „Schlosserbesetzung“ nach Rhynern. Das war eine Fahrt!  Jeden Augenblick blieb das Automobil stehen, überall fanden sich schadenfrohe Lacher, bis dann endlich, wie eine rettende Oase in der Wüste, eine Schmiede auftauchte. Doch bei der nächsten „Panne“ nach einigen Metern war unser Optimismus wieder verschwunden. Mal saß die „Karawane“ – sie waren für den Ernstfall immer gerüstet, zur Seiten der Landstraße zu kampieren – in Dinker fest. Alles war nachgesehen worden, die „Karre“ rührte sich einfach nicht vom Fleck. Was machen ?  Die „Forscher“ mussten sich herablassen und die Konkurrenz , das Pferd, in Anspruch nehmen. Als die Kutsche die „gestrandeten“  Reisenden nach Hause bringen wollte, ging dies doch dem Ehrgefühl des bockbeinigen Autos zu nahe, und es lief auch. Da man dem Auto misstraute, Sie wissen ja, wer einmal...usw. fuhr die Kutsche hinter dem Auto her. Alles gab das Automobil her, um der Kutsche davonzueilen. Da aber der pfiffige Gaul wachsam war und ordentlich lostrabte, hielten beide mit würdevollem Stolz ihren Einzug in Hamm.

Sämtliche Schmiedewerkstätten in der ganzen Hammer Umgebung kannten  den Wagen , wurde er ihnen doch allzu oft mit schweren „inneren Verletzungen“ völlig ohne jegliches Lebezeichen eingeliefert. Das waren Fahrten!  Da ging einem, wie mein Vater immer sagte, der „Hut hoch“, und, wenn es sich um einen schweren „Fall“ handelte, der „Draht aus der Mütze“. Später musste mein Vater noch mal eine Prüfung machen, indem er einmal um den Friedrichsplatz am Oberlandesgericht fuhr.“

Mit dem Bericht des Gustav Middendorf und des Herrn Schmerge steht damit auch fest, wer die erste Fahrberechtigung , heute Führerschein, in Hamm hatte und wer diese Fahrberechtigung erteilt hat. Es waren danach sowohl Gustav Middendorf, als auch sein Werkmeister Schmerge, die bereits 1909 von Fritz von Opel eine Berechtigung zum Führen eines Automobils erworben hatten. Beide mussten erst Jahre später diese Berechtigung bei der Stadt Hamm wiederholen. Wie der Sohn des Herrn Schmerge berichtete, durch eine Fahrt auf dem Friedrichsplatz, rund um das OLG.

 

Zur Firma Middendorf.:

Das erste Haus Große Weststraße 10 wurde 1741 bei dem großen Stadtbrand zerstört. * Bericht dazu in der Anlage.

 Dies geht aus historischen Unterlagen des Stadtarchivs Hamm hervor. Aufgebaut wurde das neue Haus auf den Kellergewölben des abgebrannten Hauses im Jahre 1785. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Grundstein, der sich im zentralen Kellergewölbe befindet. Der Bauherr entstammt   nach dem Grundstein mit großer Wahrscheinlichkeit der Familie  Knippink. Dieser Name ist im Grundstein eingemeißelt. Dieser Herr Knippink gehörte mit sehr großer Warscheinlichkeit zu der Familie Knippink, die zum märkischen Uradel gehörte. 1437 und 1438 führte so der Droste zu Hamm, Hoerde und Unna, Gerrit Knippinck, als Vertreter des Grafen von der Mark politische Verhandlungen mit Abgesandten des Großherzogs von Kleve bzw. des Herzogs von Jülich-Berg. Die Verhandlungen fanden in Breckerfeld bei Hagen statt. (aus der Homepage des Prof.Dr.med.H.W. Knipping, Honnef, Linzer Str. 25, siehe unter www.knipping-hwk.de

Christine Knippink, eine Tochter des mutmaßlichen Erbauers, war bis zu ihrem Tode 1856 Besitzerin des Hauses, das dann ihrem hinterbliebenen Mann, Mathias Schmitz gehörte. Diedrich Middendorf übernahm in Miete dann die Werkstatt des Mathias Schmitz und richtete sein Geschäft um 1879 im Hause Weststr. 10 ein. Aus diesem Jahr liegt noch ein Katalog der Firma Middendorf vor.  Bereits 1886 übergab er die Firma seinem Sohn Heinrich Middendorf , der nun in der Großen Weststraße 10 wohnte. Heinrich Middendorf hatte seine Meisterprüfung als Schlosser am 5. August 1860 vor der Kreisprüfungscommission in Hamm bestanden. Er hatte die Roberta Schmitz, geb. 1832, eine Tochter von Mathias Schmitz und Christine Knippink geheiratet und war so nun in den Besitz des Hauses gekommen. Dietrich Middendorf wohnte weiterhin in der Kleinen Weststraße 15  (heute Martin-Luther-Str.).  Nachdem Heinrich Middendorf  1908 verstorben war, übernahm sein Sohn Gustav Middendorf die Firma.  Da Gustav Middendorf keine Nachkommen hatte, übernahm dann 1948 der Neffe, Dr. W. Deubner die Firma Middendorf und führte sie bis 1970.  

Dr. Phys.  Friedrich Elias Heinrich Willy Deubner war ein Sohn von Philipp Wilhelm Deubner aus Wetzlar und dessen Ehefrau Friderike Luise Elisabeth geb. Middendorf, eine Tochter  von Heinrich Middendorf und damit eine Schwester von Gustav Middendorf. Die Erbfolge ging nun nach dem Tode von Gustav Middendorf an seine Schwester und dessen Ehemann Dr. Deubner über. Erbin des Dr. Deubner war seine Tochter, die Renate Meta Berta Frieda Elisabeth Deubner, die den Drahtweber Heinrich Wilhelm Dirkling heiratete. Nach dem Tode der Eheleute Dirkling ging die Erbfolge an ihren Sohn, den Installateur Michael Dirkling, der heute noch mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in dem Haus wohnt. Tragischerweise war die Schwester des Michael Dirkling bei einem Brand in dem oberen Geschoß des Hauses, im Jahre 1983 ums Leben gekommen. Einen Bericht aus dem „Westfälischen Anzeiger und Kurier“ von diesem Brand, sehen sie ebenfalls in der Anlage.

Doch zurück zum Ladenlokal.

Ende 1970 mietete dann die Firma Kortmann das Geschäftslokal. Es entstand hier das vielen noch bekannte Geschäft „Licht und Form“, welches nun 18 Jahre ein Anziehungspunkt in der Weststraße war. Ende 1988 verließ Kortmann den Standort und im Frühjahr 1989 bezog die Firma „Mahlberg“ die Geschäftsräume Weststraße 10. „Mahlberg“ hatte davor seine Geschäftsräume im „Metropol-Haus“, Ecke Weststraße – Ritterstraße, in der zweiten Etage.

Später nahm die Seniorchefin und Mutter von Michael Mahlberg ihre Wohnung im zweiten Stock des Hauses.

Im Jahre 2006 setzte sich Michael Mahlberg  zur  Ruhe  und  die  Firma „Mandoo“ übernahm  die Geschäftsräume, in denen Frau Mahlberg jun. heute Geschäftsführerin ist.

Das Haus Weststraße 10 befindet sich heute (wie oben bereits beschrieben) im Besitz eines Nachkommen der Familie Middendorf, dem Herrn  Michael Dirkling. Leider ist eine Bauakte des Hauses nicht mehr vorhanden.

        

    Soweit die Antwort auf die Frage, wer in Hamm das erste Automobil fuhr. Das gleichzeitig noch die Geschichte des Führerscheines, der ersten Kraftfahrzeugniederlassung der Firma Opel und die Geschichte der Firma Middendorf ein Stück aufgeklärt wurde, ist um so erfreulicher. Übrigens, das Haus Weststraße 9 , in dem sich Chen`s Restaurant befindet, wurde 1902 erbaut. In ihm befand sich die Restauration „Bayrischer Hof“ von Heinrich Hötte. Nach dem zweiten Weltkrieg war dort die Gaststätte „Zur Quelle“ und die „Isabell-Bar“ , bis die Sparkasse Hamm das Haus anmietete. 2006 kaufte Herr Chen das Haus und hat nun sein Restaurant dort.

Die im Anhang vorgestellten Bilder sind heute Bestandteil der Polizeihistorischen Sammlung beim PP Hamm. Sie stammen  aus dem Archiv des Herrn Michael Dirkling, für dessen Hilfe ich mich sehr herzlich bedanke.

  

Anlage  1:      Stadtbrand 1741.

                       Bericht des Bürgers Johann Bernhard Stuniken.

                          (Nach Unterlagen des Stadtarchivs Hamm).

 

„ Wie wir Sonntags des 16. April  (1741, der Verf.) um 3 Uhr nachmittags in der reformierten Kirche ( heute Pauluskirche, der Verfasser) des entstandenen Brandes gewahr wurden, lief ich gleich zum Spritzenhaus und besorgte die Abfahrt der Spritzen, was ziemlich gut vonstatten ging. Von  den Leitern auf dem Rathaus konnte ich aus Mangel an Hilfe nur drei herunterschaffen. Da fehlte es an Eimern, die wurden auch nur wenig herzugetragen. Indessen eilte ich dem Brande zu, um Veranstaltung zu machen, dass die Menschen in Reihen gestellt würden, um Wasser in die Spritzen zu bringen, aber da waren noch wenig Leute, welche Ledereimer hatten, und die, welche die Spritzen gebracht hatten, waren meist wieder auseinander. Dadurch griff dann die Flamme an den mit Strohdocken unterlegten Dächern so gewaltig durch, das sich alles auf die Flucht begab und ich genug zu tun hatte, Leute zu erbitten, die die Spritzen aus dem Feuer zurückzogen.

   Man sah mehr Magistratspersonen spazieren als regieren. Alle liefen ihrer Wege, packten ihre Güter und flohen davon, gaben ihre Häuser dran und blieben bei ihrem Geräte hinter dem Wall oder außerhalb der Stadt liegen.

   Es kamen nun auch viele Bauern herein, welche aber nicht zur Löschung verwandt, sondern von den kgl. Beamten zurückgehalten wurden, bis ihnen das Feuer zu nahe käme, um sie zur Auspackung ihrer Mobilien zu gebrauchen. Andere Bauern halfen ihren Gutsherren auszupacken, obschon diese noch weit genug vom Brande entfernt waren, noch andere standen auf den Straßen still und sahen zu, z.B. bei dem Hause des Herrn von Haaren nahe beim Markt 15-20 Bauern, die auf mein vieles Anhalten ins Haus liefen, wo doch nicht im geringsten ein Brand zu vermuten war.

   Bei den Bürgern aber war all mein unermüdetes Zurufen vergeblich, sonst wäre noch nicht der zehnte Teil abgebrannt. Es machte sich also ein jeder auf die Flucht, so das in der ganzen Stadt außer mir nicht einer war, der nicht sein Haus ausgeräumt oder wenigstens alles zur Flucht vorbereitet hätte. Viele, von denen der Brand noch fünf Häuser entfernt war, hatten nicht mehr den Mut, noch mehr Gerät aus dem Haus zu tragen, sondern blieben stelle stehen und warteten ab, wann der Brand an ihr Haus kommen würde.

   Während des saß der kgl. Richter auf dem Markte vor des Weinhändlers Gerdes Tür auf einer steinernen Bank, indem er eine Flasche und das Trinkglas bei sich stehen hatte, und sah beim Trunke dem Brande zu, ohne dass er die Bauern zur Arbeit angewiesen hätte. Der Herr Justizrat zur Heiden hat noch so viel bewerkstelligt, dass er das Haus seines Oheims rettete , wie der Brand solchem zu nahe kommen wollte, und wenn er an der reformierten Kirche und dem Rathaus  so viel Ernst bewiesen hätte, es wären noch beide in gutem Stande und folglich die ganze Ostseite der Stadt.

      Sechs Stunden früher, als der Brand ein kleines Flämmchen unten an des Turmes Dach zeigte, rief ich den regierenden Bürgermeister an, um Leute auf den Turm zu befördern, aber der gab mir zur Antwort:“ Wo soll ich die Leute kriegen?“ Ich antwortete er sollte seine Stadtdiener nebst Totengräber und Pförtner kommandieren. Der Bürgermeister fragte:“ Wo sind sie?“ ich brachte ihm sogleich den Totengräber beim Arm herbei, aber da war kein Respekt noch Kommando. Denn dieser gottlose Kerl ging wieder streichen und begab sich nach dem Wirtshaus am Wall, wo er sich zum Feuer setzte und bei einer Kanne Bier eine Pfeife Tabak rauchte, ohne sich um Kirche und Turm zu bemühen.

    Indessen waren einige Leute auf den Turm geklommen, die riefen um Wasser, aber ich vermochte ihnen von unten keine Hilfe zu schaffen. So nahm die Flamme überhand und steckte die ganze Ostseite mit ihrem entsetzlichen feuerspeienden Regen an. Darüber wurde es Montag. Morgens kam der Richter von Unna mit Bürgern und einer Spritze an. Diese Bürger hielten sich beieinander zu ihrer Spritze  und löschten dadurch hier und da noch ein Haus. Diesem Beispiel folgte dann unser Richter aus Scham einigermaßen und wollte sich auch wie der Richter von Unna mit Kommandieren sehen lassen, aber es war zu spät, denn alles lag schon in Asche.“

 

So der Bericht des Bürgers Stuniken.

 

Anlage  2:   Bericht des WAK  vom 23.2.1983

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