Nach der
Niederschrift war der Herr Schmerge leider nicht zu Hause, er befand
sich in der Eifel, sein Sohn Alois, ebenfalls Werkmeister bei
Middendorf , konnte aber den Vater vertreten und hatte ebenfalls
viele Geschichten auf Lager.:
„Ja, unser Vater
hat oft von dem ersten Auto Hamm`s erzählt. Es wurde mit der Bahn
nach Hamm verfrachtet, da es den „weiten“ Weg von Rüsselsheim nach
Hamm nicht bewältigen konnte. In Rüsselsheim legte mein Vater bei
Fritz von Opel die Prüfung ab, indem er von einer Garage in die
andere fahren musste. Er war einer der ersten Autofahrer von
Westfalen. In Hamm begannen dann die täglichen Scherereien mit dem
Wagen. Mein Vater erzählte uns oft am Abend von seinen Erlebnissen
auf der Landstraße. : Einmal fuhr das Auto, natürlich mit starker
„Schlosserbesetzung“ nach Rhynern. Das war eine Fahrt! Jeden
Augenblick blieb das Automobil stehen, überall fanden sich
schadenfrohe Lacher, bis dann endlich, wie eine rettende Oase in der
Wüste, eine Schmiede auftauchte. Doch bei der nächsten „Panne“ nach
einigen Metern war unser Optimismus wieder verschwunden. Mal saß die
„Karawane“ – sie waren für den Ernstfall immer gerüstet, zur Seiten
der Landstraße zu kampieren – in Dinker fest. Alles war nachgesehen
worden, die „Karre“ rührte sich einfach nicht vom Fleck. Was machen
? Die „Forscher“ mussten sich herablassen und die Konkurrenz , das
Pferd, in Anspruch nehmen. Als die Kutsche die „gestrandeten“
Reisenden nach Hause bringen wollte, ging dies doch dem Ehrgefühl
des bockbeinigen Autos zu nahe, und es lief auch. Da man dem Auto
misstraute, Sie wissen ja, wer einmal...usw. fuhr die Kutsche hinter
dem Auto her. Alles gab das Automobil her, um der Kutsche
davonzueilen. Da aber der pfiffige Gaul wachsam war und ordentlich
lostrabte, hielten beide mit würdevollem Stolz ihren Einzug in Hamm.
Sämtliche
Schmiedewerkstätten in der ganzen Hammer Umgebung kannten den Wagen
, wurde er ihnen doch allzu oft mit schweren „inneren Verletzungen“
völlig ohne jegliches Lebezeichen eingeliefert. Das waren Fahrten!
Da ging einem, wie mein Vater immer sagte, der „Hut hoch“, und, wenn
es sich um einen schweren „Fall“ handelte, der „Draht aus der
Mütze“. Später musste mein Vater noch mal eine Prüfung machen, indem
er einmal um den Friedrichsplatz am Oberlandesgericht fuhr.“
Mit dem Bericht des
Gustav Middendorf und des Herrn Schmerge steht damit auch fest, wer
die erste Fahrberechtigung , heute Führerschein, in Hamm hatte und
wer diese Fahrberechtigung erteilt hat. Es waren danach sowohl
Gustav Middendorf, als auch sein Werkmeister Schmerge, die bereits
1909 von Fritz von Opel eine Berechtigung zum Führen eines
Automobils erworben hatten. Beide mussten erst Jahre später diese
Berechtigung bei der Stadt Hamm wiederholen. Wie der Sohn des Herrn
Schmerge berichtete, durch eine Fahrt auf dem Friedrichsplatz, rund
um das OLG.
Zur Firma Middendorf.:
Das erste Haus Große Weststraße 10
wurde 1741 bei dem großen Stadtbrand zerstört. * Bericht dazu in
der Anlage.
Dies geht aus
historischen Unterlagen des Stadtarchivs Hamm hervor. Aufgebaut
wurde das neue Haus auf den Kellergewölben des abgebrannten Hauses
im Jahre 1785. Aus dieser Zeit stammt wohl auch der Grundstein, der
sich im zentralen Kellergewölbe befindet. Der Bauherr entstammt
nach dem Grundstein mit großer Wahrscheinlichkeit der Familie
Knippink. Dieser Name ist im Grundstein eingemeißelt. Dieser Herr
Knippink gehörte mit sehr großer Warscheinlichkeit zu der Familie
Knippink, die zum märkischen Uradel gehörte. 1437 und 1438 führte so
der Droste zu Hamm, Hoerde und Unna, Gerrit Knippinck, als Vertreter
des Grafen von der Mark politische Verhandlungen mit Abgesandten des
Großherzogs von Kleve bzw. des Herzogs von Jülich-Berg. Die
Verhandlungen fanden in Breckerfeld bei Hagen statt. (aus
der Homepage des Prof.Dr.med.H.W. Knipping, Honnef, Linzer Str. 25,
siehe unter
www.knipping-hwk.de )
Christine Knippink,
eine Tochter des mutmaßlichen Erbauers, war bis zu ihrem Tode 1856
Besitzerin des Hauses, das dann ihrem hinterbliebenen Mann, Mathias
Schmitz gehörte. Diedrich Middendorf übernahm in Miete dann die
Werkstatt des Mathias Schmitz und richtete sein Geschäft um 1879 im
Hause Weststr. 10 ein. Aus diesem Jahr liegt noch ein Katalog der
Firma Middendorf vor. Bereits 1886 übergab er die Firma seinem Sohn
Heinrich Middendorf , der nun in der Großen Weststraße 10 wohnte.
Heinrich Middendorf hatte seine Meisterprüfung als Schlosser am 5.
August 1860 vor der Kreisprüfungscommission in Hamm bestanden. Er
hatte die Roberta Schmitz, geb. 1832, eine Tochter von Mathias
Schmitz und Christine Knippink geheiratet und war so nun in den
Besitz des Hauses gekommen. Dietrich Middendorf wohnte weiterhin in
der Kleinen Weststraße 15 (heute Martin-Luther-Str.). Nachdem
Heinrich Middendorf 1908 verstorben war, übernahm sein Sohn Gustav
Middendorf die Firma. Da Gustav Middendorf keine Nachkommen hatte,
übernahm dann 1948 der Neffe, Dr. W. Deubner die Firma Middendorf
und führte sie bis 1970.
Dr. Phys. Friedrich
Elias Heinrich Willy Deubner war ein Sohn von Philipp Wilhelm
Deubner aus Wetzlar und dessen Ehefrau Friderike Luise Elisabeth
geb. Middendorf, eine Tochter von Heinrich Middendorf und damit
eine Schwester von Gustav Middendorf. Die Erbfolge ging nun nach dem
Tode von Gustav Middendorf an seine Schwester und dessen Ehemann Dr.
Deubner über. Erbin des Dr. Deubner war seine Tochter, die Renate
Meta Berta Frieda Elisabeth Deubner, die den Drahtweber Heinrich
Wilhelm Dirkling heiratete. Nach dem Tode der Eheleute Dirkling ging
die Erbfolge an ihren Sohn, den Installateur Michael Dirkling, der
heute noch mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in dem Haus wohnt.
Tragischerweise war die Schwester des Michael Dirkling bei einem
Brand in dem oberen Geschoß des Hauses, im Jahre 1983 ums Leben
gekommen. Einen Bericht aus dem „Westfälischen Anzeiger und Kurier“
von diesem Brand, sehen sie ebenfalls in der Anlage.
Doch zurück zum Ladenlokal.
Ende 1970 mietete dann
die Firma Kortmann das Geschäftslokal. Es entstand hier das vielen
noch bekannte Geschäft „Licht und Form“, welches nun 18 Jahre ein
Anziehungspunkt in der Weststraße war. Ende 1988 verließ Kortmann
den Standort und im Frühjahr 1989 bezog die Firma „Mahlberg“ die
Geschäftsräume Weststraße 10. „Mahlberg“ hatte davor seine
Geschäftsräume im „Metropol-Haus“, Ecke Weststraße – Ritterstraße,
in der zweiten Etage.
Später nahm die Seniorchefin und Mutter
von Michael Mahlberg ihre Wohnung im zweiten Stock des Hauses.
Im Jahre 2006 setzte sich Michael Mahlberg zur Ruhe und die
Firma „Mandoo“ übernahm die Geschäftsräume, in denen Frau Mahlberg
jun. heute Geschäftsführerin ist.
Das Haus Weststraße 10
befindet sich heute (wie oben bereits beschrieben) im Besitz eines
Nachkommen der Familie Middendorf, dem Herrn Michael Dirkling.
Leider ist eine Bauakte des Hauses nicht mehr vorhanden.
Soweit die Antwort
auf die Frage, wer in Hamm das erste Automobil fuhr. Das
gleichzeitig noch die Geschichte des Führerscheines, der ersten
Kraftfahrzeugniederlassung der Firma Opel und die Geschichte der
Firma Middendorf ein Stück aufgeklärt wurde, ist um so erfreulicher.
Übrigens, das Haus Weststraße 9 , in dem sich Chen`s Restaurant
befindet, wurde 1902 erbaut. In ihm befand sich die Restauration
„Bayrischer Hof“ von Heinrich Hötte. Nach dem zweiten Weltkrieg war
dort die Gaststätte „Zur Quelle“ und die „Isabell-Bar“ , bis die
Sparkasse Hamm das Haus anmietete. 2006 kaufte Herr Chen das Haus
und hat nun sein Restaurant dort.
Die im Anhang
vorgestellten Bilder sind heute Bestandteil der Polizeihistorischen
Sammlung beim PP Hamm. Sie stammen aus dem Archiv des Herrn Michael
Dirkling, für dessen Hilfe ich mich sehr herzlich bedanke.
Anlage 1: Stadtbrand 1741.
Bericht des
Bürgers Johann Bernhard Stuniken.
(Nach
Unterlagen des Stadtarchivs Hamm).
„ Wie wir Sonntags des
16. April (1741, der Verf.) um 3 Uhr nachmittags in der
reformierten Kirche ( heute Pauluskirche, der Verfasser) des
entstandenen Brandes gewahr wurden, lief ich gleich zum Spritzenhaus
und besorgte die Abfahrt der Spritzen, was ziemlich gut vonstatten
ging. Von den Leitern auf dem Rathaus konnte ich aus Mangel an
Hilfe nur drei herunterschaffen. Da fehlte es an Eimern, die wurden
auch nur wenig herzugetragen. Indessen eilte ich dem Brande zu, um
Veranstaltung zu machen, dass die Menschen in Reihen gestellt
würden, um Wasser in die Spritzen zu bringen, aber da waren noch
wenig Leute, welche Ledereimer hatten, und die, welche die Spritzen
gebracht hatten, waren meist wieder auseinander. Dadurch griff dann
die Flamme an den mit Strohdocken unterlegten Dächern so gewaltig
durch, das sich alles auf die Flucht begab und ich genug zu tun
hatte, Leute zu erbitten, die die Spritzen aus dem Feuer
zurückzogen.
Man sah mehr
Magistratspersonen spazieren als regieren. Alle liefen ihrer Wege,
packten ihre Güter und flohen davon, gaben ihre Häuser dran und
blieben bei ihrem Geräte hinter dem Wall oder außerhalb der Stadt
liegen.
Es kamen nun auch
viele Bauern herein, welche aber nicht zur Löschung verwandt,
sondern von den kgl. Beamten zurückgehalten wurden, bis ihnen das
Feuer zu nahe käme, um sie zur Auspackung ihrer Mobilien zu
gebrauchen. Andere Bauern halfen ihren Gutsherren auszupacken,
obschon diese noch weit genug vom Brande entfernt waren, noch andere
standen auf den Straßen still und sahen zu, z.B. bei dem Hause des
Herrn von Haaren nahe beim Markt 15-20 Bauern, die auf mein vieles
Anhalten ins Haus liefen, wo doch nicht im geringsten ein Brand zu
vermuten war.
Bei den Bürgern aber
war all mein unermüdetes Zurufen vergeblich, sonst wäre noch nicht
der zehnte Teil abgebrannt. Es machte sich also ein jeder auf die
Flucht, so das in der ganzen Stadt außer mir nicht einer war, der
nicht sein Haus ausgeräumt oder wenigstens alles zur Flucht
vorbereitet hätte. Viele, von denen der Brand noch fünf Häuser
entfernt war, hatten nicht mehr den Mut, noch mehr Gerät aus dem
Haus zu tragen, sondern blieben stelle stehen und warteten ab, wann
der Brand an ihr Haus kommen würde.
Während des saß der
kgl. Richter auf dem Markte vor des Weinhändlers Gerdes Tür auf
einer steinernen Bank, indem er eine Flasche und das Trinkglas bei
sich stehen hatte, und sah beim Trunke dem Brande zu, ohne dass er
die Bauern zur Arbeit angewiesen hätte. Der Herr Justizrat zur
Heiden hat noch so viel bewerkstelligt, dass er das Haus seines
Oheims rettete , wie der Brand solchem zu nahe kommen wollte, und
wenn er an der reformierten Kirche und dem Rathaus so viel Ernst
bewiesen hätte, es wären noch beide in gutem Stande und folglich die
ganze Ostseite der Stadt.
Sechs Stunden
früher, als der Brand ein kleines Flämmchen unten an des Turmes Dach
zeigte, rief ich den regierenden Bürgermeister an, um Leute auf den
Turm zu befördern, aber der gab mir zur Antwort:“ Wo soll ich die
Leute kriegen?“ Ich antwortete er sollte seine Stadtdiener nebst
Totengräber und Pförtner kommandieren. Der Bürgermeister fragte:“ Wo
sind sie?“ ich brachte ihm sogleich den Totengräber beim Arm herbei,
aber da war kein Respekt noch Kommando. Denn dieser gottlose Kerl
ging wieder streichen und begab sich nach dem Wirtshaus am Wall, wo
er sich zum Feuer setzte und bei einer Kanne Bier eine Pfeife Tabak
rauchte, ohne sich um Kirche und Turm zu bemühen.
Indessen waren
einige Leute auf den Turm geklommen, die riefen um Wasser, aber ich
vermochte ihnen von unten keine Hilfe zu schaffen. So nahm die
Flamme überhand und steckte die ganze Ostseite mit ihrem
entsetzlichen feuerspeienden Regen an. Darüber wurde es Montag.
Morgens kam der Richter von Unna mit Bürgern und einer Spritze an.
Diese Bürger hielten sich beieinander zu ihrer Spritze und löschten
dadurch hier und da noch ein Haus. Diesem Beispiel folgte dann unser
Richter aus Scham einigermaßen und wollte sich auch wie der Richter
von Unna mit Kommandieren sehen lassen, aber es war zu spät, denn
alles lag schon in Asche.“
So der Bericht des Bürgers Stuniken.
Anlage 2: Bericht des WAK vom
23.2.1983
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