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Das Ende des II. Weltkrieges aus der Sicht der
Hammer Polizei. |
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von Polizeihauptkommissar a.D. Siegfried Paul |
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Um die letzten Kriegstage und die Nachkriegszeit bei
der Hammer Polizei zu verstehen, lässt man am besten Kollegen zu Wort
kommen, die diese Zeit selber erlebt haben. Mit vielen ehemaligen
Polizeibeamten habe ich lange Gespräche geführt und dabei
Tonbandaufzeichnungen mitgeschnitten. Geholfen hat mir vor allem die
Tatsache, dass ich als Pensionärs- und Versicherungsbetreuer für die
Kreisgruppe Hamm, der Gewerkschaft der Polizei tätig war. So kann ich
heute mit Stolz sagen, dass es keinen Pensionär der Hammer Polizei gibt,
den ich nicht kenne. Besonders beeindruckend fand ich zwei Gespräche,
die ich deshalb auch an dieser Stelle zuerst aufgeschrieben habe. Es
handelt sich erstens um ein Gespräch mit dem Kollegen Erich Bulian vom
02.03.1981 und zweitens um ein Gespräch mit der Witwe des Kollegen
Mazzoli vom 31.10.1985. |
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Hier die
Erinnerung des Kollegen Bulian:
„ In
den letzten Kriegstagen, Anfang April 1945, ging es auch bei der Polizei
in Hamm drunter und drüber. Wir durften das Revier nicht verlassen. Was
sich bei unseren Familien abspielte, erfuhren wir kaum noch. Ich selbst
machte damals als Polizeimeister Dienst beim 2. Revier, das war auf der
Wilhelmstraße. Dort erfuhren wir jedoch, was sich in der Stadt und bei
den anderen Revieren abspielte. Auch von Gerüchten blieben wir natürlich
nicht verschont. |
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Ich habe die
letzten Tage so in Erinnerung.:
Am
Ostersonntag, das war der 1.April 1945, erfuhren wir, dass die
Amerikaner das Revier im Norden übernommen hatten. Der Kollege Voß
(Revierleiter d. Autor) war bis zum Einzug der Amerikaner auf dem Revier
geblieben und wurde dort auch gefangen genommen. Fast alle übrigen
Polizeiangehörigen hatte er vorher noch zur Polizeidirektion geschickt.
Einige von ihnen wurden aber noch gefangen genommen. Kollege Voß wurde
auch nur kurz festgesetzt und machte wenige Tage später schon wieder
Dienst auf dem Revier. Allerdings war auch ständig ein amerikanischer
Offizier auf dem Revier. In der Nacht war auch die Brücke über den Kanal
und die Lippe gesprengt worden. Dies soll noch von deutschen Soldaten
geschehen sein. Von da an war das Gebiet nördl. der Lippe fest in
amerikanischer Hand.
Am anderen
Tage, das muß also am 2. April gewesen sein, waren die Amerikaner
bereits im Bahnhof. Sie waren vom Norden her über die Rollbahn der
Bahnanlage gekommen. Die Rollbahn, so nannten wir den Ablaufberg einer
Verschiebeanlage, die teilweise über die breiten Brücken an der
Hafenstraße ging. An den Tag kann ich mich auch noch gut erinnern, da
ich über die Wilhelmstraße noch bis kurz vor den Bahnhof kam. Ich
musste mich dann aber wieder zurückziehen, da amerikanische Truppen in
Richtung Schwarzer Weg über die Bahnanlagen kamen. Außerdem sollten sie
schon über die Hafenstraße nach Westen ziehen. Wie weit die da waren,
wusste ich nicht. Bevor ich wieder zum Revier ging, konnte ich aber noch
sehen, wie eine Gruppe von Hitlerjungen zum Bahnhof geführt wurde. Die
kamen über die Bahnhofstraße aus dem Osten. Früher war da ein Steinmetz,
wo heute „Horten“ steht (heute Yimpaz d. Autor). Ein Stück weiter war
das „Corso“. Die Amerikaner hatten schon in der Nacht den Bahnhof
erreicht und waren da wohl auch noch drin. Die Hitlerjungen wurden dann
in Richtung Bahnhof geführt. Alles nur so Jungs, kein Gewehr, keine
Pistole, nur jeder hatte eine Panzerfaust. Geführt wurden die Jungen von
ein paar SS-Leuten. Die wollten wohl den Bahnhof zurückerobern. Als sie
dann um die Ecke in Richtung Bahnhof gingen, da schossen die Amerikaner
schon aus dem Bahnhof. Auch aus unseren hinteren Stellungen wurde
geschossen, die müssen irgendwo im Süden gewesen sein. Jedenfalls wurde
sowohl der Bahnhof, als auch die Bahnanlage im Norden beschossen. Da
sind dann viele von den Jungs am Bahnhof gefallen. Die Jungens hatten
natürlich viel Mut und waren ja auch einfach blind. Die waren so erzogen
worden und glaubten noch an den Endsieg, aber sie hatten nicht die
geringste Chance. Dann lagen sie da auf dem Bahnhofsvorplatz. Alle so
Jungs von 15 – 16 Jahren. Das war erschütternd. Später habe ich mich
noch mit dem Major Levsen über diese Sache unterhalten. Major Levsen war
der Kommandeur der Schutzpolizei und der war dann ab 5. April bei uns
auf dem 2. Revier. Wo die Amerikaner jetzt genau standen, wussten wir
nicht, wir hatten nur gehört, dass sie jetzt auch über Hamm-Osten
kommen. Wir versuchten dann am 3. April zu klären, wo die Amerikaner im
Westen standen. Kollege Deckert hatte eine Gruppe von etwa 50
LS-Polizeibeamten zu führen. Diese Gruppe war für den Bereich von der
Wilhelmstr. Bis zum Hafen zuständig. Ich selbst hatte eine Gruppe, die
südl. der Wilhelmstr. eingesetzt war. In meinem Bereich waren noch keine
Amerikaner. Im Bereich des Kollegen Deckert kamen Amerikaner über die
Hafenstraße, wir konnten aber nicht genau feststellen, wie weit sie
schon waren. Auf jeden Fall hatten sie dort ein Wiegehaus eingenommen,
was kurz hinter der Brücke stand. Das Haus war dann aber kurze Zeit
später von unseren Soldaten wieder erobert worden. Natürlich konnte die
Polizei nicht direkt bis in die vorderste Linie, wir gehörten ja nicht
zur kämpfenden Truppe und außerdem waren dort ja unsere Soldaten. Wir
konnten nur versuchen, Erkenntnisse für unsere Arbeit zu bekommen. Wir
hatten dann also von unseren Soldaten gehört, dass das Wiegehaus wieder
in unserer Hand sei. In den Morgenstunden des 4. April hat dann eine
Pionierabteilung von unseren Truppen versucht, die Brücke zu sprengen.
Für uns war das gesamte Gebiet nicht mehr erreichbar. Allerdings hielten
sich Kollege Deckert und ich noch im Bereich der Unionstrasse auf. Dort
haben wir dann auch am 4. April, noch sehr früh am Morgen, eine heftige
Detonation gehört. Später erfuhren wir von Soldaten, dass der Versuch,
die Brücke zu sprengen, nicht gelungen war. Am gleichen Tage wurde bei
uns auf dem Revier auch bekannt, dass der Polizeidirektor Rotmann den
Befehl erhalten hatte, sich mit den jüngeren Polizeibeamten nach Süden
abzusetzen. Dort sollte wohl mit der Wehrmacht eine neue Stellung
eingerichtet werden. Später hörten wir, dass dieser Befehl vom
Kampfkommandanten, dem Oberst Damisch, gegeben worden war. Jedenfalls
hat uns das noch der Major Levsen mitgeteilt. Aber das war erst am
nächsten Tag. Jedenfalls war Polizeidirektor Rotmann dann tatsächlich
nicht mehr in der Stadt. Wir hatten aber noch Kontakt zur Direktion und
bekamen auch vereinzelt noch Befehle von dort.
Einen Tag
später, also am 5. April 1945, war dann jedoch Dr. Rotmann wieder in der
Stadt. Auch das erfuhren wir von Major Levsen, der nun auf dem 2. Revier
war. Bei ihm war auch der Polizeiarzt Dr. Wilms. Dr. Wilms war ja auch
der leitende Luftschutzarzt in Hamm. Major Levsen erzählte und auch
weiter, dass bei Kump die Polizei mit der Wehrmacht zusammengetroffen
war. Dort hatten unsere Leute noch ihre Gewehre an die Wehrmacht
gegeben. Außerdem waren dann bei einem Tieffliegerangriff die Fahrzeuge
der Polizei getroffen worden. Polizeidirektor Rotmann hat dann den
Befehl gegeben, dass die Polizeibeamten wieder nach Hamm zurückkehren
sollten, da es nun nur noch darum ging, Ruhe und Ordnung in Hamm zu
gewährleisten und den Schutz der Bevölkerung zu sichern. Polizeidirektor
Rotmann musste auch am 5. April wieder in Hamm gewesen sein, den wir
erhielten noch einen schriftlichen Befehl von ihm, der der Bevölkerung
bekannt zu machen war. (Vermerk d. Autor: Dieser Befehl hat tatsächlich
existiert und beweist die Richtigkeit der Angaben des Koll. Bulian. Der
Befehl wird anschließend abgedruckt.) |
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Wir haben
auf dem 2. Revier natürlich auch über die Lage gesprochen und uns war
klar, dass der Krieg nun unmittelbar vor seinem Ende stand. Es ging bei
uns eigentlich nur noch ums Überleben. Major Levsen war es auch, der
hier vorsichtig die Meinung vertrat, dar Kampfkommandant hätte jetzt zum
Schluß noch so viel Kräfte wie möglich aus der Stadt abgezogen, um
unnötige Verluste, auch unter der Zivilbevölkerung, zu vermeiden. Selbst
in diesen Tagen musste man ja mit seinen Worten noch sehr vorsichtig
sein.
Genauso
hörten wir, dass nochverstreute SS-Leute in Hamm-Süden kämpften.
Jedenfalls
wurde uns dann am anderen Tage, dem 6. April 1945 bekannt, dass der
Polizeidirektor Dr. Rotmann, von Amerikanern in der Polizeidirektion
festgenommen worden war. Also musste zu diesem Zeitpunkt die Direktion
von den Amerikanern eingenommen worden sein. An diesem Tage waren auch
schon amerikanische Truppen in Hamm-Westen. Sie waren ja über die
Rollbahn und die Hafenstraße und über das Gelände der Union gekommen. Da
hatten sie dann aber irgendwo halt gemacht. Jedenfalls war das 2.
Revier noch nicht besetzt. Die Amerikaner kamen erst einen Tag später zu
uns. Als die Besatzung dann kam, waren Dr. Wilms, Major Levsen und alle
auf dem Revier anwesenden Beamten, im Keller des Reviers. Unsere
Pistolen hatten wir oben in der Wache abgelegt. Das war am 7. April
1945. Zuerst kam auf der Wilhelmstraße, vom Westen her, eine Gruppe
Amerikaner. Die wurde geführt von einem Sergeant-Major. Außerdem fuhr
ein Panzer an der Wache vor. Bei uns an der Wache war eine Panzersperre
auf der Wilhelmstraße, die aber wirkungslos war und auch schnell
beseitigt wurde. Der Panzer fuhr ein paar Mal dagegen. Dann kam ein
amerikanischer Leutnant. Von uns hatte sich erst keiner getraut, aus dem
Keller zu gehen, wir konnten aber alles aus dem Kellerfenster sehen. Der
Kollege Klein und ich, wir sind dann aber doch nach draußen gegangen.
Ich habe mich bemerkbar gemacht, indem ich auf die Straße ging und zwar
mit erhobenen Händen. Ich habe gerufen:
„Hallo, hier
Police“ , aber die Amerikaner haben mich erst gar nicht beachtet. Sie
wussten wohl nicht, was sie machen sollten. Dann habe ich gerufen: „Come
in“ und dann kamen die Amerikaner tatsächlich zu uns und gingen in die
Wache. Das geschah ausgesprochen vorsichtig und sie haben ständig mit
ihren Waffen gesichert. Als erstes haben sie gleich unsere Pistolen
genommen und nach weiteren Waffen gesucht. Einer der Amerikaner sprach
ein bisschen Deutsch und der sagte immer: „ Munition, Munition „. Wir
haben sie dann an den Waffenschrank geführt und der wurde komplett
ausgeräumt. Einige Amerikaner haben sich dann erst mal die bestens
Waffen „reserviert“. Dann mussten alle aus dem Keller kommen. Wir
mussten nach oben (1. Etage) in unseren Aufenthaltsraum. Als wir dann
alle in dem Raum waren, kam auf einmal ein amerikanischer Leutnant. Der
fing dann an mit uns zu exerzieren. Er jagte uns von einer Ecke in die
andere und fuchtelte ständig mit seiner Pistole vor uns rum. Dabei
sprach er gebrochen deutsch und wir befürchteten ernsthaft, er würde
plötzlich in unsere Gruppe schießen. Kurze Zeit später erfuhren wir
dann, dass der Leutnant Jude war und natürlich nicht gerade gut auf
Deutsche zu sprechen. Für die meisten Amerikaner waren wir ja alle
Nazis. Später mussten wir unsere Leute zusammenrufen und geschlossen vor
dem 2. Revier antreten. Kollege Deckert und ich, wir waren als Zugführer
für die LS-Polizei (Luftschutzpolizei, d.Autor) eingesetzt. Jeder hatte
rund 50 Mann zu befehligen. Meine Leute standen von der Silberstraße in
Richtung Daberg und Deckert`s Leute standen vom Vorsterhauser Weg zum
Hafen. Seltsamerweise ließen mich die Amerikaner allein gehen. Eine
Bewachung bekam ich nicht. Ich habe dann meine Leute zusammengeholt und
mit den noch im Revier vorhandenen Polizeibeamten, einschließlich Major
Levsen und Dr. Wilms, wurden wir dann zum Bahnhof geführt. Später kam
auch Kollege Deckert mit seinen Leuten dort an. Am Bahnhof, vor der
Post, wurden wir nochmals durchsucht. Vorher waren wir zwar schon im
Westen durchsucht worden, aber vielleicht hoffte man bei uns noch etwas
zu finden. Kollege Zielke, der auch auf dem 2. Revier war, hatte vorher
eine goldene Uhr gehabt, die war ihm gleich abgenommen worden. Vielen
von uns wurden ebenfalls die Uhren abgenommen. Also auch von den
Amerikanern ist geplündert worden. |
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Wir haben
dann eine Nacht im Bahnhof gelegen. Im Bahnhof traf ich auch noch andere
Polizeibeamte, die vorher auf dem 1. Revier Dienst gemacht hatten. Am
anderen Tage, dem 8. April 1945, wurden wir dann über die Rollbahn nach
Hamm-Norden gebracht. Dort waren wir dann in einer Schule hinter dem
Bockumer Weg. Das muß die Schule am Großen Sandweg gewesen sein, denn da
war auch die Rettungsstelle untergebracht. Wir haben dann dort auch nur
einen Tag in der Schule gelegen. Dr. Wilms und Major Levsen wurden von
uns getrennt. Einen Tag später habe ich aber festgestellt, dass Major
Levsen schon am 8. April wieder zur Direktion gebracht worden war. Er
musste die Führung der Polizei wieder übernehmen. Wir übrigen wurden am
9. April 1945 wieder nach Hause geschickt. Man hat uns nur registriert.
Zu Hause mussten wir Zivil anziehen und uns dann auf den Revieren
melden. Wir bekamen jeder eine Armbinde, auf der Polizei stand und
mussten wieder Polizeidienst versehen. Waffen bekamen wir erst nicht.
Auf der Wache hatten wir aber schon wieder einige Gewehre und eine
amerikanische Pistole, die aber nur auf Anforderung rausgegeben wurde.
Zuerst machten wir nur tagsüber Dienst, denn nachts galt ja auch für uns
eine Ausgangssperre. Na, wir waren erst mal froh darüber, konnten wir
doch wenigstens jetzt mal nachts schlafen. Vorher waren wir ja rund um
die Uhr auf der Wache gewesen und konnten uns nicht mal um die Familie
kümmern. Leider hat die Nachtsperre dann nicht lange gehalten und wir
musste wieder rund um die Uhr Dienst machen. Wenn man Glück hatte, bekam
man jeden 4. Tag einmal frei. Dann mussten wir auch Nachtdienst machen.
Das war dann ausgesprochen schwer, wir waren nämlich bis auf einen
Holzknüppel unbewaffnet. |
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Im
Westenschützenhof war ein Russenlager und da war natürlich jetzt was
los. Die waren auf jeden Deutschen böse. Allerdings durften die auch
nicht so ohne weiteres aus dem Lager, aber daran gehalten hat sich kaum
einer. Die Amerikaner haben erst alle registriert und meistens haben sie
auch ein Auge zugedrückt. Natürlich war auch bei den Russen die
Verpflegungslage, wie ja auch bei uns, schwierig. Nun gingen die Russen
natürlich oft los und plünderten. Wir konnten manchmal auch kaum was
dagegen machen. Das ging noch eine ganze Zeit so. Später wurde in dem
Lager auch noch der Kollege Bahlo erstochen. Den hat unsere Führung auf
dem Gewissen. In dem Russenlager waren die Pferde der früheren
Lagerverwalterin, Frau Köckmann, gestohlen worden. Die Russen wollten
sie jetzt schlachten. Die Frau kam zu uns und bat um Hilfe. Da in dem
Lager weiter eine große Unruhe war, haben wir bei der Direktion um Hilfe
gebeten. Die Unterstützung wurde aber vom Kommandeur abgelehnt und vom
ihm wurde befohlen, eine Gruppe von Beamten ins Lager zu entsenden, die
Pferde zu sichern und für Ruhe zu sorgen. Na und da musste der Kollege
Bahlo und einige ältere Hilfspolizeibeamte, die vorher bei der
LS-Polizei gewesen waren, in das Lager. Die Gruppe der Polizei war 10
Mann stark. Sie hatte ganze 5 dänische Gewehre und kaum Munition. Kaum
hatte die Gruppe das Lager erreicht, wurde sie auch sofort von den
Russen angegriffen. Etwa 150 Russen kamen mit Spaten, Eisenstanden,
Messern und Knüppeln auf die Gruppe zu. Alles schlug auf die
Polizeibeamten ein. Nur mit größter Mühe gelang es dann den Beamten,
sich aus dem Lager abzusetzen, aber drei Männer wurden doch erheblich
durch Messerstiche verletzt. Von der Polizei wurde nicht ein Schuß
abgegeben, dazu kam überhaupt niemand mehr.
Der
Kollege Bahlo ist dann später im Krankenhaus gestorben. Dieser Überfall
im Russenlager war am 13. April 1945. Ich selbst habe damals auch den
Bericht ins Wachbuch geschrieben. |
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Überhaupt
bestand der Polizeidienst nach dem Krieg fast nur noch darin, die
Bevölkerung vor Plünderern und Überfällen zu schützen. Dabei wurden die
Polizeibeamten oft angegriffen und selbst die Amerikaner und Engländer,
haben dann den Polizeibeamten die wenigen Gewehre, die ihnen von den
Besatzungsmächten zugestanden worden waren, abgenommen. Na, dass das
eine harte Zeit war, brauch ich wohl nicht zu sagen. Viele Kollegen
leben ja noch, die die Nachkriegszeit mitgemacht haben.“
(Vermerk d.
Autor: Die Ablichtung der Wachbucheintragung füge ich an. Übrigens
durfte die Witwe des Verstorbenen erst am 25.8.1945 in dem
Mitteilungsblatt Nr. 11, welches von den Engländern genehmigt worden
war, den Tod ihres Mannes anzeigen.)
Soweit die
Schilderung des Kollegen Bulian. |
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Die nun folgende Niederschrift des Gespräches vom 31.10.1985, mit
der Witwe des Kollegen Mazzoli, ist für mich noch bedrückender, zeigt
die Zeit aber in aller Deutlichkeit und Härte. Möge eine solche Zeit in
Deutschland nie wieder möglich sein. Hier der Bericht: |
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„ Die
letzten Kriegstage in Hamm. Ja, die habe ich noch gut in Erinerung. Mein
Mann war 1945 noch bei der Hilfspolizei, beim SHD. (Sicherheits- und
Hilfsdienst. D. Autor). Wir haben ja in den letzten Kriegstagen noch
einen Sohn verloren. Gefallen für den „Führer“. Da kann ich mich ja wohl
natürlich genau an den Tag erinnern. Mein Sohn Arthur hatte am 29.3.1945
seinen 16. Geburtstag gehabt. Einen Tag später wurde er dann noch
eingezogen. Er war ja schon bis dahin in der Marine-HJ. Am 30.3.1945
wurden die dann alle zum Dienst gerufen. Viele sind freiwillig gegangen,
andere wurden von der Polizei geholt. Viele Eltern haben versucht, die
Kinder zu Hause zu halten. Auch wir haben es versucht, konnten ihn aber
gar nicht halten. Die Jungen waren wirklich überzeugt, sie könnten und
müssten Deutschland noch für ihren Führer retten. Das kann man heute
nicht mehr verstehen, aber es war so. |
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Die Jungen
erfuhren am 30.3.1945 nur, dass sie nach Thüringen geschickt werden
sollten. Zuerst mussten sie sich aber in der Kaserne im Osten melden.
Das war die Kaserne an der heutigen Georgs- Kirche. Dort haben sie dann
Verpflegung und Waffen und teilweise wohl auch Uniform erhalten. Die
hatten ja normal alle ihre Ausrüstung von der HJ zu Hause gehabt. Da
brauchten sie nicht mehr viel. Außerdem bekamen sie aber Panzerfäuste.
Sie wurden dann mit einem Zug zunächst in Richtung Süden gefahren. Der
Zug kam aber nicht mehr durch. Bei Rhynern irgendwo wurde der Zug von
Tieffliegern angegriffen und blieb liegen. Die Jungen wurden dann wieder
nach Hamm geführt und mussten erneut in die Danevoux- Kaserne. Das haben
wir aber alles erst später erfahren, von Freunden von unserem Arthur.
Wir wohnten ja damals im Süden. Ich war an dem Tag im Schillerbunker. In
Hamm ging ja damals alles so ziemlich drunter und drüber. Jedenfalls
waren die Jungen dann am anderen Tage noch in der Kaserne und wurden
dann am 31.3.1945 wieder von der Kaserne zum Bahnhof geführt. Da waren
einige SS-Männer bei ihnen. Die kamen aber nicht aus diesem Raum, das
waren Versprengte, die der Rückzug nach Hamm gebracht hatte. Sie wurden
dann in einen Zug gesetzt und diesmal ging die Fahrt dann in Richtung
Norden.
Der Zug war
aber kaum aus dem Bahnhof raus, da bekam er schon in Hamm- Norden Feuer.
Der Zug blieb auch diesmal liegen und die Jungen wurden dann am Bahndamm
beschossen. Die Amerikaner waren wohl schon in Heessen und irgendwo im
Norden. Mein Junge ist dann jedenfalls am Bahndamm in Hamm – Norden
gefallen. Kopfschuss.
Die
Hitlerjungen, die noch wieder zurück konnten, sind durch den Bahnhof
gekommen. Die haben dann später versucht, den Bahnhof wieder von den
Amerikanern zurückzuerobern, als diese im Bahnhof waren. Da sind auch
noch viele von den Jungen gefallen. Die Jungen waren ja auch überzeugt,
sie könnten noch was retten. Aber das war Wahnsinn. Wir Eltern wussten
gar nicht, wo die Kinder waren. Die SS- Truppen haben sich dann später
abgesetzt. Aber keiner hat die Kinder weggschickt.
Ich habe
im Schillerbunker vom Tod meines Sohnes erfahren. Mit einem Sohn der
Familie Hüde, das war der Kohlenhändler auf der Grünstraße, bin ich dann
nach Hamm – Norden gefahren. Dort habe ich meinen Sohn dann auch
gefunden. Er lag tot vor der Schule am Großen Sandweg. Dort war eine
Rettungsstelle. Mein Sohn lag auf einer Trage. Obwohl noch kein
Ausländer dort war, waren seine ganzen privaten Sachen weg. Seine
Ausweise, seine Ausrüstung und seine Wäsche, alles war weg. Wir mussten
dann zurück. Es hieß, die Amerikaner kommen und die Brücken werden
gesprengt. Es gab auch einen Befehl, dass kein Toter über der Erde sein
durfte, wenn die Amerikaner kommen. Also wurde mein Sohn vor der Schule
beerdigt. Er hatte keinen Sarg und kein richtiges Grab. Aber wenigstens
war ein Pastor dort. Mein Sohn wurde in eine eilig ausgehobene Grube
gelegt. Sein Kopf wurde mit einem Tuch bedeckt und dann wurde er nach
einem kurzen Gebet beerdigt. Das war so schrecklich.
Ich
musste dann wieder nach dem Süden. In der Nacht wurden dann die Brücken
an der Münsterstraße über Lippe und Kanal gesprengt. Ich habe dann noch
mehrfach versucht, wieder in den Norden zu kommen, aber das war nicht
mehr möglich. Erst am 7.4.1945 war ich dann wieder im Bahnhof. Einen
Tag vorher war jedenfalls die Polizei besetzt worden und auch der Bunker
an der Feidikstraße. Da war die Befehlsstelle der Wehrmacht und wohl
auch der Polizei. Jedenfalls am Tag nachdem dort die Amerikaner waren,
konnte ich aus dem Bunker Schillerstraße und zum Bahnhof. Da war die
Hammer Polizei und wurde von den Amerikanern festgehalten. Da habe ich
dann auch noch den Doktor Wilms gesehen. Der war Polizeiarzt und Leiter
der Rettungsstellen. Wir durften aber keinen Kontakt mit der Polizei
oder dem Doktor Wilms aufnehmen. Ein Amerikaner hat mich noch
weggeschickt und zwar sehr böse. Der hat mir doch tatsächlich gedroht,
er würde schießen. Dr. Wilms und die Polizei wurde dann aber in den
Bahnhof gebracht. Sie müssen sich mal vorstellen. Vorher wollte die
sogar noch meinen zweiten Sohn einziehen. Das war, bevor die Amerikaner
kamen. Wir waren ja im Schillerbunker und im Feidikstraßenbunker war ja
der Befehlsstand der Wehrmacht und der Polizei. Da wurden dann die
Kinder noch als Melder eingesetzt. Die sollten dann noch den Kopf
hinhalten und in dem Beschuß da noch Melder sein. Mein Sohn sollte
ebenfalls noch Melder werden, aber das habe ich verhindert. Ich habe
denen gesagt, einen Jungen habt ihr mir noch genommen, der zweite bleibt
hier.
Sie können
sich die Zeit ja auch nicht vorstellen. Aber wenn man überlegt, was im
und vor dem Bunker so los war und wie selbst in den letzten Tagen des
Krieges noch Parteibonzen das Sagen hatten, unfassbar heute.
Am Tage
bevor die Amerikaner kamen. Wir saßen im Bunker. Raus wollte natürlich
keiner mehr. Hier konnten wir ja überleben. Draußen war es ja viel zu
gefährlich geworden. Da kam dann ein Parteimensch in den Bunker, seine
eigene Frau saß ebenfalls im Bunker, und gab den Befehl, wir sollten den
Bunker verlassen. Wir sollten tatsächlich aus dem Bunker, unsere Sachen
packen und in Richtung Süden aus der Stadt, also in Richtung Berge. Da
gab es einen unheimlichen Tumult im Bunker und auch davor. Viele wollten
nicht gehen. Da ist es vor dem Bunker noch zu richtiger Panik gekommen.
Da wurden Menschen verletzt und einige sind auch noch zu Tode gekommen.
Ohne Fremdeinwirkung. Die sind überrannt worden. Mein Mann war auch am
Bunker, die konnten aber nichts mehr machen. Später sind wir aber doch
nach Hause gegangen und haben unsere Sachen geholt. Wir hatte ja schon
vorher zu Hause einen Handwagen gepackt, mit den wichtigsten Sachen
drauf. Wir haben dann aber gemerkt, dass die Frau von dem
Parteimenschen in dem Bunker geblieben ist. Wir sind dann auch wieder in
den Bunker gegangen und dort geblieben. Das hört sich jetzt so einfach
an, aber das war wirklich schlimm. Es herrschte teilweise noch Panik. Im
Bunker waren wir aber doch sicher. Ich kann gar nicht sagen, wie wir da
wieder reingekommen sind. Nur, diejenigen, die nach Berge heraus die
Stadt verlassen wollte, sind später noch beschossen worden. Im Süden und
nach Berge raus, da haben ja tatsächlich noch versprengte SS-Leute und
auch Hitlerjungen gekämpft. Im Tierpark sind ja auch noch welche
gefallen. Wir haben den Bunker erstmals am 6.4.45 verlassen, als die
Amerikaner kamen. Am letzten Tag hatten wir noch eine weiße Fahne aus
dem Bunker gehängt. Einen Tag später war ich dann am Bahnhof. Aber nach
Hamm – Norden konnte ich noch nicht. Die Amerikaner ließen das nicht zu.
Erst am
11.4.1945 konnte ich dann nach Hamm – Norden und meinen toten Sohn heim
holen. Mein zweiter Sohn war in der Lehre bei Hackenholt, das war ein
Schreiner im Norden. Der hat mir dann einen Sarg gemacht. Mit meinem
Sohn bin ich dann zum Norden. Wir haben meinen Sohn Arthur dann am
Großen Sandweg wieder ausgegraben und in den Sarg gelegt. Dann sind wir
zur Stadt zurück. Über die Brücken konnten wir nicht. Die Münsterstraße
war gesprengt. An der Rollbahn, also der Eisenbahnbrücke an der
Hafenstraße, da waren die Amerikaner. Mit dem Sarg kamen wir da nicht
durch. Also sind wir am Kraftwerk über die Schleuse gegangen. Da ist uns
der Sarg noch hingefallen. Aber mit viel Mühe haben wir es doch
geschafft. Wir haben unseren Arthur nach Hause geholt.
Einen Tag
lang haben wir dann meinen Sohn zu Hause aufgebahrt. Am anderen Tage
wurde mein Sohn dann auf dem Friedhof im Süden beigesetzt. Erst auf dem
evangelischen Friedhof und später dann auf dem Ehrenfriedhof.“ |
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