Meine Schulzeit und mein Leben in den
Nissenhütten „Neuer Kamp“ sind eine Einheit.
Die Nachbarn waren u.a. Kaninchen-
und Hühnerdiebe, Messerstecher, Engelmacherin, Klein-Betrüger (Griff in
die Kasse des katholischen Kirchenchores von St. Josef und
Waschmittelverkauf ohne Begleichung der Rechnungen beim
Zulieferer).Gelegentlich wurden Hunde bei einem Nachbarn verzehrt,
angeblich „gut gegen Rheuma“.
In dieser Straße habe ich als Schulkind
nur ein einziges Mal mit einem anderen Jungen eine Auseinandersetzung
gehabt. Der war ein Jahr jünger, hatte große Fresse (wie man damals
sagte“, und bekam einen verpasst. Das wars.
Für mich war der Neue Kamp dennoch
auch etwas unheimlich bei dem Wissen um unsere Nachbarn.
Im Übrigen diente die Straße als
Fußweg zum Friedhof und sonntags als Weg in die Wälder. Zur Schule waren
es – im Sturmschritt der 7. Klasse – genau fünf Minuten. Beidseitig vom
Schulweg bis zum Anfang „In der Hölle“, hatte Opa Kraatz seinen Garten.
Eine riesige Fläche, die er mit dem Spaten bearbeitete und überwiegend
Kartoffeln anpflanzte. Opa Kraatz war Zechen-Rentner, mit weißem
Vollbart und er war der einzige mir bekannte Kommunist und soll während
der Nazi-Zeit im KZ oder zumindestens in „Schutzhaft“ gewesen sein. Er
war ein bärbeißiger Typ und wurde eigentlich von allen Kindern
gehänselt. Mein Vater hat mir dies ausdrücklich verboten. Gelegentlich
hatte er sich länger am Zaun mit Opa Kraatz unterhalten.
Zu allen Zeiten hat es draußen
genügend Kinder zum Spielen gegeben:
Pinchen-Kloppen, Völkerball, „Deutschland
erklärt den Krieg gegen…“ (und das acht Jahre nach dem Völker-Drama),
Doktorspiele, Fußball, Kartoffelfeuer, Rodeln am Hardinghauser Knapp,
Hüttenbau und Kinder-Schützenfest.
Diese Outdoor - Aktivitäten waren
wunderbar aber unfreiwillig; Keiner hatte so viel Wohnraum, dass er mehr
als einen Menschen mit in die Wohnung bringen konnte bzw. durfte !
Überall war es eng.
In Spitzenzeiten wohnten acht Menschen
in der 45-Quadratmeter-Hütte. Es gab im vorderen Teil einen
Wohn/Schlaf/Koch/Ess/Lern/Bügel-Raum und zwei Schlafzimmer im hinteren
Teil. Stockbetten in den Schlafzimmern ging nicht. Die
optisch-erbauliche Rundform der Wand-Decken-Konstruktion ließ so etwas
nicht zu. Es war nur schrecklich!! Im Sondergebäude im Hof,
spiegelbildlich mit dem Nachbarblechbungalow, ein Plumpsklo, ein Stall
mit Schweinekoben und zur Lagerung der Deputatkohle. alle Grundstücke
mit Garten, Grundstückgröße 10 x 40m, angrenzend an die Viehweiden des
Bauers Vogelmann.
Die Freiflächen wurden von allen als
Gemüsegärten genutzt: Bohnen, Erbsen, Möhren, Kohl, Kohlrabi, Tabak (!),
Rhabarber, Kartoffeln, Beerensträucher und einige Blumen im Vorgarten
von der Größe 2 x 3 Meter.
Die Straße bestand aus festgefahrener
pulverisierter Kokereiasche. Bei feuchtem Wetter als schwarzer Schmier
und bei Trockenheit als gesundheitsgefährdender schwarzer Staub
allgegenwärtig.
Immerhin, es gab Strom und eine
Frischwasserleitung und Abwasser. In jedem Wohnraum gab es
Stromleitungen für ein Deckenlicht und eine ( ! ) Steckdose im vorderen
Multifunktionsraum. Die Böden waren mit ca. 30 x 30 cm großen roten
Steinfliesen ausgelegt.
Die Wände bestanden aus Wellblech,
außen senkrecht und innen waagerecht verlegt und verbunden. Dazwischen
ca. 10 cm Glaswolle zur Dämmung. Winterliche Witterungsbedrängnisse
wurden durch die auskömmliche Versorgung mit Deputatkohle wettgemacht.
Der Hitze des Sommers konnte nichts entgegengesetzt werden, zumal zu
diesen Zeiten an Kühlschränke in Wohnungen noch nicht zu denken war.
Im Mai 1959 zogen wir vom Neuen Kamp
in die Marienburger Straße, in eine Wohnung der „Neuen Heimat“. „ |