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Bildseite Bunker
1945 -7-

Das Ende des II Weltkrieges, aus Sicht der Hammer Polizei.
 

von Polizeihauptkommissar  a.D. Siegfried Paul

 

Einsatzbericht des DRK-Zuges Bockum-Hövel, zum Einsatz nach dem

Luftangriff vom 22.4.1945 auf die Stadt Hamm.

 

Nicht unmittelbar mit dem Kriegsende 1945 hat der nachstehende Bericht zu tun. Nach den vorstehenden Berichten und den Fotos der Bombenschäden, habe ich mich aber entschlossen, den Einsatzbericht des DRK-Zuges aus Bockum-Hövel, der von dem Zugführer Dr. med. Kurt Hemmer erstellt wurde,  einzustellen. Von diesem Bombenangriff liegen mir sämtliche Gefallenen- und Verletztenlisten vor.

 
Hier der Bericht:
 
„Bockum-Hövel, den 24.April 1944
 
Kurzer Bericht
 

Bericht über den Einsatz des Zuges Bockum-Hövel der DRK. Bereitschaft M. Lüdinghausen 2 und der DRK. Bereitschaft W. Lüdinghausen 2, in Hamm am 22./ 23.4.44.

 

Als am Abend des 22.4.44 die Anflüge und Bombenabwürfe der feindlichen Flieger nachließen, wurden um 19,45 Uhr der Zug Bockum-Hövel der DRK. Bereitschaft M. Lüdinghausen und die DRK. Bereitschaft W. Lüdinghausen 2 , vom Luftschutzarzt Bockum-Hövel alarmiert. Um 20,40 Uhr meldeten sich auf der Polizeiwache 3 in Hamm – Norden der Zug Bockum-Hövel mit einem Arzt und 19 Helfern zum Einsatz. Außerdem war die Führerin der Bereitschaft mit W. mit Meldern zur Entgegennahme des Einsatzbefehles zur Stelle. Der Zug war ausgerüstet mit seinem Krankenkraftwagen, mit 2 Tragen, 2 Halbtragen, 1 E.S.E Trage, ferner 49 zur Hälfte gepolsterten langen Schienen, sodann mit 4 großen Verbandskästen, die alles notwendige Material zu Verbandszwecken und für den Arzt enthielten. Die Helfer erschienen in ihrer planmäßigen Ausrüstung. Nach kurzem Warten wurde Befehl gegeben, zur Rettungsstelle 3 zu fahren um dort den näheren Einsatzbefehl durch Dr. Wilms, Hamm, entgegenzunehmen. Kurz nach Eintreffen in der Rettungsstelle erschien auch Dr. Wilms und besprach mit dem Zugführer den Einsatz. Befohlen wurde: der Zug sucht den Stadtteil im Süden zwischen Werlerstraße und Schwarzem Weg rechts und links der Alleestr., nach Verwundeten und Toten ab. Die weibliche Bereitschaft wird zur Rettungsstelle 3 herangezogen und erwarte dort den Einsatzbefehl. Der Führer des Zuges der DRK-Bereitschaft erbat sich einen ortskundigen Führer und eine große Wasserkanne, die mit Wasser gefüllt wurde. (Zur Augenspülung.)  Noch in der Rettungsstelle wurde der Zug in 4 Gruppen eingeteilt mit je einem Verbandskasten. Der Krankenkraftwagen folgte dem Zuge auf dem Fuß. Bei der Einfahrt in die Alleestr. , wurden die Kraftwagen abgestellt. Dann begann die Suchaktion. Folgende Straßen mit ihren Häusern und Kellern wurden dank der ortskundigen Führung gründlich abgesucht. Alleestraße , Langewanneweg, Alleestraße, Lessingstraße, Mörikestraße, Freiligrathstraße, Alleestraße, Grünstraße, Gallberger Weg, Alleestraße, Albertstraße, Roonstraße, Albertstraße, Feidikstraße, Roonstraße, Alleestraße. Jede der genannten Straßen wurde auf jeder Straßenseite von je 2 Gruppen von Haus zu Haus abgesucht. Bei den noch vorhandenen Luftschutzwarten und in den Häusern verbliebenen Zivilisten wurden Nachforschungen nach Verletzten, Toten und Verschütteten angestellt.  Bei der  Bergung und Versorgung der Verwundeten und Verschütteten erwies es sich als notwendig, dass die Helfer mit Wasserkannen, elektrischen oder sonstigen Lichtquellen ausgerüstet werden. Ferner jeder Trupp mit 2 Halbtragen neben ihrer stets mitgeführten Verbandskiste, in der auch zu Anregungszwecken Medikamente und Kognak mitgeführt wurde. Der Schlauch des in jedem Kasten mitgeführten Irrigators konnte einmal nutzbringend verwandt werden, um einer Verschütteten durch ein Loch Trinkwasser zuzuführen. Der Wagenheber des Krankenkraftwagens konnte rettend als Winde zur Hebung von einklemmenden Balkenlasten eingesetzt werden. Die mitgeführten gepolsterten Schienen erwiesen sich in ihrer sofortigen Verwendbarkeit  segensreich. Die vorgefundenen Verletzten wurden versorgt und dem vorgezeichneten Krankenhaus zugeführt. Die vorgefundenen Toten wurden größtenteils namentlich  festgestellt und den in der Nähe befindlichen Polizei- usw. Organen zum Abtransport gemeldet. Alte und schwache Leute wurden gelabt und ihr Abtransport in den nächsten Bunker veranlasst. Der Krankenkraftwagen wurde je nach Straßenbeschaffenheit möglichst weit vorgezogen. Die Verbindung zwischen dem Krankenkraftwagen und den einzelnen DRK.-Trupps war jederzeit in Ordnung und der Abtransport klappte reibungslos. Erschwert wurde die Arbeit dadurch, dass Häuser und Straßen zum größten Teil von Menschen entblößt waren, die Auskunft geben konnten, und die zu kleinen Bergen sich türmenden Schuttmassen und Trichter. Dort wo der Bergungstrupp der Zeche Radbod noch arbeitete, um anscheinend Verschüttete aus Kellern zu bergen, wurde bis zur Beendigung der Bergungsarbeiten und zur Versorgung der anfallenden Verletzten jeweils ein Trupp zurückgelassen, der sich dann sofort anschließend zu den anderen Gruppen zurückmeldete. Aufgefunden wurden in der Freiligrathstr. 27: 2 Kinder tot, die Mutter im Hause Ritterstr 30 verbunden. Ende der Freiligrathstr.  wurde ein Knöchelbruch versorgt und abtransportiert. In der Maschinenfabrik Rüter waren keine Verletzten zu versorgen. In der Alleestr. 49 a wurden 4 Tote festgestellt. 2 verletzte Soldaten zum Standortlazarett transportiert. In Roonstr. 49 wurde eine schwere Kopfverletzung verbunden und abtransportiert. In Roonstr. 43 wurden 4 Tote festgestellt. Aus der Alleestr. alte Leute aus dem Keller zum Bunker gebracht, ein Kind geborgen und zum Krankenhaus transportiert. Ein alter Mann Alleestr. 16 bettlägerig auf seine Beschwerden untersucht und dort gelassen. Anfang Albertstraße wurden 7 Tote aufgefunden. Bei Bäckerei Borris  wurde eine Gruppe bei angeblich im Keller Verschütteten zurückgelassen. Aus der Albertstraße wurde auch eine Frau mit Blutbrechen ins Krankenhaus transportiert. Nach Absuchung und Versorgung des befohlenen Geländes begab sich der Führer des  Zuges zur Polizeidirektion und meldete Dr. Wilms die Beendigung der befohlenen Aufgabe und erbat weiteren Einsatzbefehl. Nach mündlichem Bericht wurde die männliche Bereitschaft entlassen. 2 Trupps bis zur Beendigung der Ausgrabungsarbeiten in der Bäckerei Borris in der Albertstraße mit dem Krankenkraftwagen zurückgelassen. Die weibliche Bereitschaft erhielt ebenfalls Abmarschbefehl, sollte sich aber zum Einsatz am 23.4. morgens bereithalten. Der Einsatzbefehl würde durch Melder gegeben. Ab 4 Uhr am 23. früh erfolgte der Abtransport der Bereitschaften. Die beim Abmarsch des Zuges in Bockum-Hövel zurückgelassene Gruppe  von einem Führer und 10 Mann war im Laufe der Nacht, da in Bockum-Hövel kein Schaden mehr zu erwarten war, zur Rettungsstelle 3 Hamm, nachgekommen und der Führer meldete sich an der Einsatzstelle beim Zugführer. Von dieser nachgekommenen  Reserve wurden 1 Führer und 8 Mann zur Ablösung in der Albertstraße mit dem Krankenkraftwagen eingesetzt. Diese ablösende Gruppe traf nach Beendigung ihrer Aufgabe und Abmeldung bei der Polizeidirektion gegen 6 Uhr wieder in Bockum-Hövel ein. Besonderer Dank gebührt der ortskundigen Führung durch das unbekannte Gelände, dem Rottwachtmeister Osthues, Hamm, Rettungsstelle 3, Einsatzgruppe 3.

 
Unterschrift: Dr. Kurt Hemmer
Der Führer des Zuges der DRK.
Bereitschaft M. Lüdinghausen 2. „
 
 

Nur Ansatzweise kann man heute wohl ermessen, welches Leid und welche Schäden durch die Bombenangriffe entstanden. Kann man sich heute eigentlich vorstellen, wie es bei den Angriffen in den Bunkern aussah ?. Die Zustände in den Bunker waren ebenfalls bis auf Äußerste angespannt. Die Verhältnisse dort, teilweise unbeschreiblich und dennoch, dort konnte man überleben. Nachstehend stelle ich deshalb einen Bericht des leitenden Luftschutzarztes, Polizeiarzt Dr. Wilms, in die Homepage, der am 11.7.1944 seinen Bericht über die Besichtigung der Luftschutzbunker verfasste.

 
 
„ LS-San.-Dienst

Hamm (Westf.), den 11.7.1944     

 
An das

Kommando der Schutzpolizei

-         Luftschutz –

 

Betr.: Besichtigung der sanitären Einrichtungen in den LS-Bunkern am 7.7.1944

 

Die Türen sind in allen Bunkern, bis auf  den an der Posenerstraße, entfernt. In vielen Fällen haben die Zelleninsassen Vorhänge angebracht, die eine gewisse Feuergefahr bieten und bei der Belüftung hinderlich sind. Die Belüftung der einzelnen Zellen muss jedoch stets sehr gut durchgeführt werden. Es darf deshalb nicht geduldet werden, dass die Bunkerinsassen bis 10,00 Uhr oder 11,00 Uhr in den Räumen bleiben und dann erst nach Hause gehen. Jeden Morgen um 8,00 Uhr muß der Bunker geräumt sein, damit das Großreinemachen und die gute Durchlüftung einsetzen kann.

    Sämtliche von den Insassen mitgebrachte Federbetten, Kissen und Strohsäcke müssen aus den Bettstellen entfernt werden. In mehreren Zellen trieften die Kissen von dem Urin der Kinder. Die Geruchsbelästigung ist derart stark, dass ich beabsichtige, Kinder und Personen die die Betten einnässen, in einem besonderen Raum auf Torfstreu zu legen. Ebenfalls müssen Personen, die sich und  ihren Zellenraum nicht  sauber halten, aus der Gemeinschaft  der anderen Volksgenossen entfernt und in einen besonderen Raum untergebracht werden. Es handelt sich im Norden besonders um eine asoziale Großfamilie. Ferner muß verboten werden, dass die Eltern gegen Abend ihre Kinder ohne Aufsicht in den Bunker schicken. Denn gerade hierdurch sind manche Beschädigungen an den Einrichtungen in den Bunkern entstanden. Die Kontrolle auf Ungeziefer muß regelmäßig durchgeführt werden. Die Verwanzung der Bunker wird nicht so leicht eintreten, wenn das Bettzeug nicht mitgenommen werden darf. Die Verflohung ist in manchen Fällen sehr stark. Die zugelassenen Dauergäste müssen um 22,00 Uhr ihre Schlafplätze bezogen haben. Wer wiederholt die Zeit nicht innehält, verliert seinen Platz.

   Die Sanitätsräume, der Arztraum und der Hebammenraum bedürfen dringend eines weißen Kalkanstriches.

   Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass Schwestern und Laienhelfer, ausgerüstet mit Labeflasche und Medikamententasche, bei Alarm sich in die einzelnen Stockwerke begeben; die Kameradschaftsführerin bleibt zur Unterstützung des Arztes und der Hebamme zurück.

   Der Entbindungsraum darf schon bei Vorwehen von der Kreißenden belegt werden. Sie hat nach Möglichkeit eigene Wäsche und Seife mitzubringen. Sie hat das Recht, 4 Tage nach der Entbindung dort zu verbleiben. Falls keine andere Schwangere zur Entbindung gemeldet ist, kann sie sich – im Einvernehmen mit dem Bunkerarzt – bis zu einer Woche dort aufhalten. Es ist jedoch nicht statthaft, dass aus anderen Bezirken oder gar aus benachbarten Dörfern von der Hebamme  Schwangere zur Entbindung in den Bunker geholt werden. Die Verpflegung der Wöchnerin erfolgt durch die Familie; Besuch ist nur den allernächsten Angehörigen gestattet. Die Augenstation im Bunker am Westentor muß ebenfalls einen weißen Anstrich erhalten. Die in der Nähe liegenden Zellen können belegt werden, müssen aber beim Anfall von Schwer-Augenverletzten sofort freigemacht werden, um die auf der Augenstation behandelten Verwundeten bis zum Abtransport in die Kliniken aufzunehmen.

   Sehr bewährt hat sich der Raum „Mutter und Kind“. In diesem Raum bekommen alle diejenigen Personen einen Sitz- eventuell auch einen Liegeplatz, die sich durch den Ausweis des Ernährungsamtes, wonach sie Schwangerschaftssonderzulage erhalten, kenntlich machen. Sie können dann in diesem Raum verbleiben bis zum 4. Monat nach der Entbindung. Dann müssen sie jedoch auf andere Zellen verteilt werden, damit in dem Sonderraum wieder Plätze frei werden. Es ist nicht gestattet, dass in dem Raum „Mutter und Kind“ größere Kinder (über 2 Jahre), Großmütter, Tanten usw. mit hinein genommen werden. Nach Möglichkeit wird eine Laienhelferin bzw. DRK-Schwester zur Betreuung dieses Raumes und deren Insassen dauernd abgestellt.

   In allen Räumen, vor allem auch in den Sanitätsräumen, lagern zu viele und zu große Koffer. Dauergepäck darf nicht in den Bunkern untergebracht werden. Eine Ausnahme ist gestattet dem Arzt und der Hebamme für den Raum auf dem Medikamentenschrank.

   Unstatthaft ist es, dass durch die ganze Zelle Stäbe gezogen sind auf denen Kleider, Anzüge und dergleichen, fein säuberlich  auf Bügeln aufgehängt sind. Hierdurch wird nicht nur die Luftzufuhr abgesperrt, sondern es ist auch eine dauernde Gefahrenquelle beim Ausfall der Stromversorgung, wenn die Notbeleuchtung angezündet wird.

   Die Zementbottiche in den Bunkern haben alle einen Deckel erhalten, der aber verkehrt aufgelegt ist. Er muß so liegen, dass unter dem Deckel die Luft durchstreichen kann. Das Wasser muß alle 4 Wochen entleert und erneuert werden. – Die Beschaffung von Trinkwasser in Glasballons ist vorgesehen, desgleichen wird eine Niederlage von Eisernen Portionen angestrebt.

   Bei den im westlichen Stadtteil gelegenen Bunkern liegt es mit der Wasserversorgung noch sehr im Argen. Es müssen jetzt immer nach dem Alarm 60 bis 80 Eimer Wasser heraufgeschafft werden, um die Klosetts durchzuspülen. Da die Ausgüsse zum großen Teil ohne Krümmer (Siphons) gemacht sind, drücken sich die Schmutzmassen in die Ausgüsse hinein und verpesten die Luft.

   In diesen Bunkern ist auch der Treppenaufgang viel zu rau und holprig. Es sind schon mehrere  schwere Stürze in ärztliche Behandlung, ja ins Krankenhaus gekommen. An den Seitenausgängen sind meistes ein- oder zwei Treppenstufen, die in der Dunkelheit und bei dem Andrang nicht beachtet werden können. Ich schlage deshalb vor, auch hier – besonders am Vorheider Weg – eine schiefe Ebene anzulegen, so daß  auch Krankenfahrstühle  bis zur Tür herangeschafft werden können.

     Im Bunker Vorsterhauser Weg mussten Bretter gelegt werden, weil die unteren Räume voll Grundwasser stehen. Endlich müssen auch die durch den Angriff am 22.4.1944 verursachten Schäden ausgebessert werden. Durch den Riß in der Bunkerdecke läuft z.Zt., infolge des dauernden Regenwetters, schon das Wasser bis in den 6. Stock. Die Heizung kann demnächst nicht angemacht werden, weil der Fuchs im Keller zerstört  ist.  Die eine Schleusentür ist zerschmettert worden und muß durch eine Tür aus einem öffentlichen Sammelschutzraum der Stadt ersetzt werden.

    Schließlich müssen auch die fehlenden Gummidichtungen an den Klappen und Türen im Bunker Feidikstraße  angebracht werden und an den Türen der beiden Bunker Vorheider Weg und Vorsterhauser Weg. Wenn erst einmal die Sache dringlich ist, wird man nie Zeit und Ruhe finden, die Übelstände zu beheben. Diese Abdichtungen sind nicht nur als Gasschutz erforderlich, sondern auch als Schutzmaßnahme gegen Rauchschäden und Hitzewellen, die bei Flächenbränden und Feuerstürmen auftreten können.

 
Dr. Wilms
Führer des LS- San.- Dienstes“