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Erinnerungen an 1944-45 |
von Polizeihauptkommissar a.D. Siegfried Paul |
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Dienstzeit des Willi Billet-Marzahl, bei der
Polizei Hamm. |
( Aufgezeichnet nach einem Gespräch mit Frau
Ilsemarie von Scheven, Leiterin des Hammer Stadtarchivs.) |
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Siehe dazu auch „Kriegsende 02“ auf der Homepage
der historische Sammlung im Polizeipräsidium Hamm unter :
www.Polizeihistorischesammlung-Paul.de . |
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Willi Billet-Marzahl: |
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„Wir hatten ja verschiedene, so genannte „Sani.-Stellen“
nannten wir das, abgekürzt für Sanitätsstellen. Die waren so in einigen
Bunkern untergebracht, auch zum Teil in Schulen. |
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(Anmerkung des Verfassers: Billet-Marzahl meint
die Rettungsstellen, Sanitätszüge und Sanitätsstellen die wie folgt
untergebracht waren. |
Ortsfeste Sanitätszüge in den Rettungsstellen. Rettungsstelle:
1. Graf Adolf von der Mark Schule, Göringstr. 71 (Heute wieder Hohe
Str., Sitz der VHS)
2. Westschule, Lange Straße
3. Nordschule, Großer Sandweg
Bewegliche Sanitätszüge:
1 Zug. Waisenhaus Wilhelmstraße
2. Zug. Kolpinghaus, Brüderstraße mit Krankentransportstaffel. Hier
war auch das LS-Polizei Krankenrevier.
Ortsfeste Sanitätseinsatzgruppen:
I. Südschule 1
II. Westschule
III. Nordschule |
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Sanitätsstellen befanden sich auch in den
Luftschutzbunkern. Hier war auch jeweils ein Arzt eingesetzt. Die
namentliche Aufstellung der Bunkerärzte, Krankenschwestern und
Bunkerwarte sind in der Sammlung beim Polizeipräsidium Hamm noch
vorhanden.) |
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Und bei mir war es ja nun so, ich war direkt vor
Ort, jedenfalls was die Polizei anbelangt. Ich kam 1944 zur Polizei und
war schließlich bei einer Kraftfahreinheit in der Tschechei, in Iglau.
Und zuvor war ich kommandierender Wachtmeister, also „Spieß“ , wie man
das nennt, in einem Polizeibataillon gewesen. Wir lagen damals in der
Schnee-Eifel. Ich gehörte etatmäßig zur technischen Einheit der
Kraftfahrstaffel Hamm. Und zu dieser Zeit übernahm Himmler, ich möchte
sagen, das Gesamtkommando über die deutsche Polizei, nachdem zuvor die
Polizei ja eigene obere Dienststellen hatte. Und Himmler zog da
sämtliche technischen Truppen damals in den Raum Mährisch- Ostrau,
jedenfalls in Böhmen , zusammen. Wir lagen damals in Iglau, das war die
so genannte deutsche Sprachinsel . |
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(Anmerkung des Verfassers: In diesem Gebiet war
die Hammer Polizei schon einmal eingesetzt worden. Von Oktober bis
Dezember 1938 war eine Hammer Polizeieinheit im „Sudetenland“
eingesetzt. Sie bereitete den Anschluss an das „Reich“ vor und
überwachten die zu diesem Zwecke stattfindenden Wahlen. Siehe auch unter
„Wissenswertes“ in der Spalte „Sudetengau“, auf dieser Homepage.)
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Kurz und gut, am 22. April 1944 war ja dieser
schwere Luftangriff auf Hamm, von dem ich dann am 23. April durch den
Rundfunk erfuhr. |
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(Anmerkung des Verfassers: Nach den mir
vorliegenden Verletzten- und Gefallenenlisten, kamen bei diesem Angriff
254 Menschen zu Tode. Verletzte Personen wurden 416
registriert. Alle Verletzte und Tote stehen noch heute namentlich
fest.) |
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Und da befand ich mich natürlich auch in relativ
großer Sorge, den meine Familie wohnte ganz in der Nähe des Bahnhofs, in
der damaligen Hindenburgstraße, jetzige Friedenstraße und es war dann
sehr schwer, etwas Präzises zu erfahren. |
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(Anmerkung des Verfassers: Bei der
Hindenburgstraße, spätere Friedenstraße, handelt es sich um die heutige
Gustav-Heinemann-Straße.) |
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Samstag war der Angriff gewesen und
donnerstagmittags , da war dann endlich das Telegramm gekommen, von
meiner damaligen Kontoristin, die hatte dann lapidar gekabelt: „ Büro,
Hauptgeschäft, Lager, Wohnung Totalschaden, sonst alle lebend.“
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(Anmerkung des Verfassers: Ein Foto des zerstörten
Geschäftes, der „Fruchthalle“ des Billet-Marzahl, sehen Sie in der
Anlage.) |
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Und das war natürlich dann sehr schwer. Jetzt
konnte man auf Grund dieses Bescheides allein noch keinen Urlaub
bekommen, das musste auch noch von dem Ortsgruppenleiter bestätigt
werden. Na kurz und gut, das haben wir noch hintereinander gekriegt,
und es war mir dann gelungen, am 29. noch Abends den Abendzug
mitzubekommen. Ja, ich kam dann erst am Abend des 30.4., wenn ich nicht
irre, in Hamm an und sah, dass das Haus halb abgebrannt war. Meine Frau
war mit den Kindern – meine Kinder waren damals ja noch klein, 4 bzw. 6
Jahre- im Bunker Westentor und tippte auf so einer kleinen
Reiseschreibmaschine. Sie versuchte so einen groben Überblick über den
erlittenen Schaden zu schaffen. Jedenfalls empfing sie mich mit den
Worten: „ Wie, jetzt kommst Du erst ?“. Ich sagte: „Mutti, was denkst
du, wie das so ist?“ Ich habe am selben Abend noch ein Gesuch gemacht,
an die Reichsführung SS, um zeitweilige Rückversetzung zum
Heimatstandort, zum Aufbau meines so genannten „L-Betriebes“. Ich hatte
einen lebenswichtigen Betrieb. Mein Stammbetrieb war ja die Fruchthalle
Hamm, die so etwa nach den Kontigenten zu urteilen etwa 28 bis 30 % der
Hammer Bevölkerung mit Frischwaren versorgte, also markenmäßig. Und
gleichzeitig bin ich zur „ Wirtschaftsgruppe Einzelhandel“ hingerannt ,
wie es damals hieß , und habe dort den selben Antrag abgegeben, dass man
das unterstütze. Ich bin dann am 1. Mai 1944 früh durch die Stadt
gesaust. Ich traf dann Fürsorgeoffizier Klein, der war Revierführer des
zweiten Reviers im Hammer Westen. |
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( Anmerkung des Verfassers: Es handelte sich um
den Revieroberleutnant Friedrich Klein, der Fürsorgeoffiziers der
Hammer Polizei war. Nicht jede Einheit, aber jeder Standort hatte einen
Fürsorgeoffizier. Klein hatte sich auch um ausgebombte und
Kriegsgeschädigte Polizeiangehörige zu kümmern. Er sorgte auch für
Kuraufenthalte und Teilnahme an Kinderlandverschickungen, wenn der
gesundheitliche Zustand von Kindern, der im Dienst befindlichen
Beschäftigten, dies erforderte. In der polizeihistorische Sammlung
befinden sich noch etliche Akten dazu. Herrn Klein habe ich noch im
Alter von 91 Jahren zu seinen Kriegserlebnissen befragt, bevor nach
Mallorca in den Weihnachtsurlaub flog !!!.) |
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sagte er: „ Ach, Herr Billet, sind sie auch da ?“.
„Ja“, und dann drückte ich dem auch so ein Ding (Gesuch) in die Hand.
Da stieg er vom Fahrrad, bzw. er war ja schon abgestiegen und las und
sagte: „Mensch gibt`s denn das ?“. Ich sagte:“ Herr Leutnant,
entweder Sie können es befürworten oder nicht!“ „Ja, natürlich wird das
befürwortet.“ Nun gab es zu dieser Zeit schon eingeschränkten
Bombenschadenurlaub. Bei Vollschaden gab es sonst immer vierzehn Tage
Urlaub. Und das hatte man damals schon auf 12 Tage reduziert, so dass
mein Abmarsch normalerweise ja schon am 10. Mai hätte erfolgen müssen.
Am 10 Mai hätte ich eigentlich schon wieder da sein müssen. Und ich habe
nun mit Hangen und Bangen gewartet. Nun hatten wir damals den so
genannten SH, das hieß Sicherheits- und Hilfsdienst, das war eine
Nebenorganisation der Polizei. |
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(Anmerkung des Verfassers: Die offizielle Bezeichnung
lautete SHD, Sicherheits- und Hilfsdienst. Der SHD unterstand der
Luftschutzpolizeiführung. Die Gliederung erfolgte generell in
SHD-Fachdienste.
1. Sicherheitsdienst und Führung
2. Feuerlöschdienst
3. Instandsetzungsdienst
4. Sanitätsdienst
5. Entgiftungs- auch Gasabwehrdienst
6. Veterinärdienst
7. Fachtrupps
8. Havarietrupps und Hafenluftschutz
In Hamm war der Fachdienst 1. bei der
Luftschutzpolizeiführung integriert. Der Feuerlöschdienst war Aufgabe
der Feuerlöschpolizei. Den Fachdienst 8. hat es in Hamm nicht gegeben.) |
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Dort waren in der Hauptsache ältere Leute tätig,
sehr viele alte Soldaten, die aus dem 1. Weltkrieg waren. Und diese
Einheiten, die waren wiederum aufgeteilt in so genannten S-Dienst, das
war der Sanitätsdienst, dann den F-Dienst, der Feuerlöschdienst, und der
3. Dienst war der so genannte Instandsetzungsdienst. Diese drei Gruppen
umfasste der SH. Er war, wenigstens in Hamm, 1000 bis 1200 Mann stark. |
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(Anmerkung des Verfassers: Der SHD Hamm war nach einer Stärkemeldung
vom 29.4.1941 wie folgt besetzt: Sollstärke: 552 Mann
Iststärke : 465 Mann
Dazu kamen 35 HJ-Melder, die aber nicht kaserniert waren, sondern bei
Bedarf alarmiert wurden.) |
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Die waren dann unterteilt in Gruppen, Züge usw.
Sie waren kaserniert, und zwar, wenn man das als Kasernierung betrachten
kann, sie lagen in Schulen usw., sie lebten nicht zu Hause mit wenigen
Ausnahmen. Also die Leute, die vielleicht Handwerksbetriebe hatten, die
waren zum Teil dann tagsüber beurlaubt und mussten dann nachts in die
Unterkunft oder aber zumindest im Alarmfall. |
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(Anmerkung des Verfassers: In Hamm waren viele
Geschäftsleute aus der Innenstadt zum SHD Dienstverpflichtet worden.
Z.B. die Herren Dabelow, (Buchgeschäft) Fuhrmann, (Foto Fuhrmann),
Hetfeld (Hammer Kapellmeister), Rosenberger, Ter Veen und Paul
Schünemann. Einige von Ihnen wurden auch im VPS (Verstärkten
Polizeischutz) eingesetzt und hatten später die Möglichkeit, in die
Schutzpolizei zu wechseln. Ein Lichtbild vom SHD- San-Zug 2,
Kolpinghaus, und eine namentliche Aufstellung dazu, sehen sie auf den
Bildseiten) |
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Sobald also eine Sirene losging, mussten die Leute
an der Dienststelle sein. Aber die liefen sowieso, wie man so sagt, zu
dieser Zeit Tag und Nacht in ihrer feldgrauen Uniform herum.
Ursprünglich gehörte der SH zur Wehrmacht bzw . Luftwaffe. |
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(Anmerkung des Verfassers: Hier ist Herrn
Billet-Marzahl ein Fehler unterlaufen. Der SHD unterstand immer der
Polizeiführung. Die SHD-Männer wurden vom Polizeidirektor
dienstverpflichtet. (Siehe Anlage in den Bildseiten), die Besoldung und
Verpflegung lief ebenfalls über die Polizeiverwaltung. Eine
Unterstellung unter die Reichswehr hat es nicht gegeben, Bemerkenswert
war, das der Luftschutz generell Aufgabe des
Reichsluftschutzministeriums war, die Durchführung vor Ort aber der
Polizei überlassen wurde. Örtlicher Luftschutzleiter war im Regelfall
auch der Polizeiverwalter. Logische Folge war, dass die Aufgabe des SHD
dann auch aus dem Reichsluftschutzministerium herausgelöst wurde und
dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler,
zugeteilt wurde. Am 1.6.1942 wurde in Hamm der gesamte SHD in die
Polizei-Reserve überführt. |
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Sie wurden auch gemeinsam verpflegt, hatten ihre eigenen
Verpflegungsstellen. |
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(Anmerkung des Verfassers: Die Hammer SHD – Küche
1, befand sich in einem Anbau der Gaststätte „Wittenborg“, Gasstraße 10
Ecke Sedanstraße. Der Anbau beherbergte später die Gaststätte „Wittenborg
im Loch“, bis zum Neubau des heutigen Nebenbaues des Hotel „Mercure“.
Dort kochte der Konditormeister Karl Schimmel seine schmackhaften
Eintöpfe. -Diesen Hinweis erhielt ich von Frau Ilsemarie von Scheven,
unserer Stadtarchivarin a.D., die sich gut erinnerte, dass auch ihr
Vater, Dr. von Scheven, der Leiter des San-Zuges 1. war, dort in
Verpflegung stand. Da Dr. von Scheven beruflich sehr stark eingebunden
war, musste ein Familienmitglied täglich seine Verpflegung dort abholen.
Dies betraf nicht nur die warme Verpflegung, sondern die gesamte
Tagesration. Lebensmittelkarten erhielt Dr. von Scheven ja nicht.
Die SHD-Küche 2, befand sich im Kinderheim
Vorsterhausen, auf der Wilhelmstraße.) |
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Mit Waffen waren sie nicht weiter ausgerüstet. Sie
waren lediglich mit den Utensilien ausgerüstet, die zu ihrem Dienst
erforderlich waren, der Feuerlöschdienst etwa mit dem üblichen Spaten
und Geräten. Ich schätze, dass der L- Dienst noch etwa bis zum
Jahre 1943 zum Beispiel bei der Bombenräumung eingesetzt war. Erst 1944,
als es zu kitzlig wurde, weil sehr viel Langzeitzünder-Bomben geworfen
wurden, LZB abgekürzt, da wurden also für diese Sprengkommandos (die ja
immer unter Leitung eines Feuerwerkers der Luftwaffe waren, das waren
gewöhnliche Leute im Feldwebel- oder Oberfeldwebeldienstgrad)
Freiwillige aus den Gefängnissen genommene Strafgefangene, die sich
dadurch etwas Strafmilderung oder Straffreiheit verschaffen konnten, bei
diesem Job da, diese Bomben zu entschärften. Und zwar war das deswegen
erforderlich geworden, weil bei diesen Bombenentschärfungen doch etliche
Leute hochgegangen waren. |
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(Anmerkung des Verfassers: In Hamm hatte es den
schwersten Zwischenfall bei einer Bombenentschärfung am 28. September
1940 gegeben. Am Großen Sandweg explodierte bei der Vorbereitung zur
Entschärfung ein Blindgänger. Die SHD-Männer Urban, Doppmeier, Knäpper,
Blum, Raser und Bartelt waren sofort tot. Infolge seiner erlittenen
Verletzung nahm sich Polizeidirektor Friderici 5 Monate später das
Leben. Auch dieser Vorgang befindet sich in der Polizeihistorischen
Sammlung im PP Hamm. Ein weiterer Todesfall ereignete sich auf dem Hof
der Kraftfahrstaffel der Polizeidirektion, Göringstraße 80 (heute wieder
Hohe Str.). Der Leiter der Kraftfahrstaffel, der Leutnant der
Schutzpolizei Erich Heffe, hatte eine Stabbrandbombe an sich genommen
und wollte sie entschärfen. Zu dieser Zeit hatten die Engländer aber die
Stabbrandbomben mit Sprengsätzen versehen und beim Öffnen der Brandbombe
explodierte sie und zerriss im den gesamten Bauchraum. Leutnant Heffe
wurde auf dem Ehrenfriedhof in Hamm- Süden beerdigt.) |
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Jetzt war also wie gesagt Mai, ich war noch in
Hamm, und der L.-Dienst wurde überall in der Stadt zu
Ausbesserungsarbeiten eingesetzt. Und so hatte ich natürlich, ich möchte
sagen, dank natürlich meiner Beziehung zur Polizei, auch die
Möglichkeit, einen Behelfsladen wieder einzurichten. Bloß meine Zeit
wurde immer knapper. Und ich dachte auch, was soll dass bloß werden ?
Ich wusste haargenau, es waren noch verschärfte Bestimmungen
eingetreten, denen wir plötzlich unterstanden. Die Polizeidienstpässe
hatte man uns allen weggenommen und hatte uns SS-Dienstpässe gegeben.
Die ganze grüne Polizei gehörte jetzt zur SS und unterstand der
sogenannten SS-Gerichtsbarkeit, die natürlich wesentlich verschärft war.
Also, ich ließ es einfach glatt darauf ankommen. Am 9. Mai da redete
mich dann so ein Polizeireservist auf der Straße an; ich rannte da so in
meiner blauen Kraftfahrzeugmontur herum, dass heißt so im Arbeitsanzug,
und der sagte: „Sie sind der Zugmeister Billet-Marzahl ?“ Ich erwiderte
„Der bin ich.“ – „Sie sollen mal eben das Kommando anrufen.“ Da stand
doch damals noch tatsächlich am Westentor eine Fernsprechzelle, und die
habe ich benutzt und das Kommando angerufen. Der Obermeister Schuster,
der damals Geschäftsstellenleiter im Kommando war, der sagte: „Na
Billet, da haben wir aber Dusel gehabt,. Es ist gerade ein Fernschreiben
von Berlin gekommen.“ Und dann hat er mir das vorgelesen. Das lautete: „
Schutzpolizeiwachtmeister der Reserve Billet- Marzahl, Abordnung zur
Kraftfahrersatzabteilung Iglau zeitweilig aufgehoben, kann im
Heimatstandort eingesetzt werden.“ Das war natürlich mein Glück. Da hab
ich mich dann sofort in den Dienstanzug geworfen und bin dann
unverzüglich zur Polizeidirektion, und habe mich gleich bei der
Kraftfahrabteilung gemeldet, bei dem Dienstleiter dort, bei dem
Leutnant, zu dem ich ja etatmäßig gehörte. Der sagte: „Mensch, das ist
ja Klasse, dass sie wieder da sind!“ Ich sagte: „ Herr Leutnant, ich
melde mich zum Dienst zurück. Ich habe bloß keine Zeit.“ Das war
Donnerstags. „Bis wann sind Sie denn fertig ?“ fragte er. Ich sagte:
„Diese Woche brauche ich noch. Morgen und übermorgen.“ „Ja“, sagte er,
„ich brauche dringend Leute hier, einen Wachhabenden für die
Einzelwachtour. Welche Tour haben Sie zuletzt geleitet ?.“ Ich
antwortete „Wachtour 2“, „Kriegen Sie wieder.“ Und damit habe ich mich
natürlich wieder schnell verdrückt. Und ich war kaum zurück, hatte mich
wieder in meinen blauen Anzug geschmissen, da kam unser damaliger Major,
das war Major Stolzenberg, auch so ein richtiger alter Soldat des 1.
Weltkrieges, ein ganz exakter Offizier, durchs Gelände, ich musste ja
auch auf ihn zuspritzen und meine Meldung machen. |
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(Anmerkung des Verfassers: Major Stolzenberg hatte
einen sehr interessanten Lebensweg hinter sich. Geboren war er am 21.
November 1897 als Sohn auslandsdeutscher Eltern in Havanna auf Kuba. Er
besuchte das Heimholtz Realgymnasium in Berlin-Schöneberg. Er war
Angehöriger des Deutschen Pfadfinderkorps und meldete sich nach Ausbruch
des 1. Weltkrieges als Freiwilliger. Am 4.Mai 1915 wurde er, bei den
„Kaiserfüsilieren“ in Rostock eingezogen, Soldat. Von 1915 bis 1917
kämpfte er beim Reserve-Infanterie-Regiment 206 und beim
Brandenburgischen Infanterie-Regiment 24. Am 25.Februar 1916 nahm er in
der Kompanie des bekannten „Pour-le-merite“ –Trägers, Oberleutnant von
Brandis, am Sturm auf das Fort Douaumont teil. Hier vor Verdun wurde er
am 21. Mai verwundet und erlitt eine schwere Gasvergiftung. 1917 wurde
er zum Leutnant befördert und war bei Kriegsende Adjutant einer
Bahnhofskommandantur. Er erhielt das Eiserne Kreuz und das
Verwundetenabzeichen. 1919 trat er zum Schutztruppenregiment 1 über und
nahm unter General Lettow-Vorbeck an der Niederkämpfung der Unruhen um
Hamburg teil. Noch im gleichen Jahr bewarb er sich bei der Aufstellung
der neuen Sicherheitspolizei in Hamburg, um Übernahme in die neue
Polizeitruppe. Hier, und nach Übernahme in die daraus entstandene
Schutzpolizei, wurde er in den verschiedensten Dienststellen verwandt.
Unter anderem in der Sicherheitspolizei des Regierungspräsidenten
Arnsberg, Polizeigruppe Dortmund, wo er als Adjutant des Oberst von
Klüfer eingesetzt war. Am 1.1.1921 wurde er zum Polizeihauptmann und am
1. Juli 1930 zum Polizeimajor befördert. Bevor er am 1.3.1938 als
Kommandeur der Schutzpolizei nach Hamm versetzt wurde, war er Leiter
eines der größten Polizeiabschnitte in Hamburg. In Hamm war er dann
zugleich ständiger Vertreter des Polizeidirektors. 1944 wurde er
nach Schneidemühl versetzt. Offensichtlich eine Strafversetzung, da er
auf einer Kommandeurstagung gesagt hatte, er könne es nicht
verantworten, in dieser unruhigen Zeit Kinder in die Welt zu setzen.) |
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Da sagte er: „ ich habe schon gehört, da haben Sie
ja Schwein gehabt. Ab wann machen Sie denn wieder Dienst ? Wann ist denn
ihr Urlaub vorbei ? Ich sagte:“ Montag mache ich Dienst bei der SK, Herr
Major.“ „Ne, ne.“ sagte er, „daraus wird nichts, mein Lieber. Ich
brauche Leute im Kommando . Sie gehen nicht zur SK . Sie melden sich am
Montag Mittag im Kommando.“ Und so kam ich automatisch dann ins
Vorzimmer des Adjutanten. Ich habe dann Geheimsachen bearbeitet und
gehörte im Alarmfalle zum Befehlsstab, zum Luftschutzbefehlsstab. Und
dann kamen ja die Monate, die etwas Ruhe brachten; es waren so
vereinzelte Angriffe zwischen Mai und September 1944. Das war also
erträglich. Gegen September verschärfte sich die Lage. Da kriegten wir
dann doch alle paar Tage schon einen Angriff. Und am allerschlimmsten
wurde es im Oktober 1944. Also da haben wir zwischen dem 30.09.44 und
dem 25.10.44 mindestens 10 Angriffe gehabt, also ganz grob über den
Daumen gepeilt. Diese Angriffe kamen manchmal so schnell und so
überraschend, dass natürlich immer Panik war. Jetzt war es auch so, dass
beide Stahlindustrien hier, die Union und die WDI, für die Wehrmacht
arbeiteten Die Union, das weiß ich mit Sicherheit, arbeitete für die
Kriegsmarine, sie stellte Drahtseile und –taue her. Jetzt war natürlich
auch das Anliegen der zuständigen Dienststellen, dass die Produktion
nicht unterbrochen wurde. Sobald die Leute in den Werken irgendwas
hörten – oh, da ist irgendwo wieder was in der Luft – oder sie hatten
was durchsickern gehört – es ist Luftgefahr -, dann war natürlich
Feierabend. Es war kein Mensch mehr am Arbeitsplatz, verständlich; denn
es war Unsicherheit. Die Leute zogen es vor, in den Bunker zu flüchten
bzw. sich auf jeden Fall nicht mehr am Arbeitsplatz aufzuhalten. Vor
allen Dingen, was natürlich am allerschlimmsten war, das war diese
Panik. Den schlimmsten Tag, den ich da in diesem Fall erlebt habe, das
war eben der 7. oder 8. Oktober. Da kamen schon so ein paar
Überraschungsangriffe , die schon ein bisschen Panik brachten und zwar
ohne Vorwarnung. Die Luftwarnung ging ja wie folgt: in Dortmund befand
sich das sogenannte Wehrmachtswarnkommando mit einer Unterstelle in
Hamm. Das waren also Wehrmachtsdienststellen, und zwar war die
Unterstelle Hamm im Gebäude der Polizeidirektion Hamm untergebracht.
Daneben lag dann die Warnvermittlung, das waren wir, die Polizei. |
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(Anmerkung des Verfassers: Beide Dienststellen
waren im Keller der Polizeidirektion untergebracht und zwar in dem
Gebäudeflügel Hohe Str. bis Ecke Borbergstraße. Der Keller war
luftschutzmäßig ausgebaut. Eisenbahnschienen waren in geringem Abstand
unter die Kellerdecken eingezogen worden. Natürlich waren auch
Luftschutztüren eingebaut. Ein Notausgang bestand auf den Hof der
Polizeidirektion. Dieser sorgte beim Neubau des Gewahrsamflügels für
große Aufregung. Nachdem der Hof umgebaut war, ereignete sich an dem
alten Noteinstieg ein Wassereinbruch, der den Keller unter Wasser
setzte. Es gab auch eine zentrale Belüftungsanlage, die erst beim Umbau
im Jahre 2000 ausgebaut wurde. Eine Bauzeichnung des Kellers ist in der
Anlage beigefügt .Mir ist noch die gesamte Befehlsstelle im Keller gut
bekannt.) |
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Wenn jetzt Dortmund dem Raum Hamm eine Luftwarnung
gab, dann ging sie nach Hamm. Und „ Hamm“ gab sie an uns weiter, an die
Warnvermittlung. Und wir wiederum warnten dann Krankenhäuser , Industrie
vorab schon und zwar telefonisch, damit sie sich darauf einstellen
konnten. Also, Industrie, Krankenhäuser und sonstige öffentliche
Einrichtungen, die besonders gefährdet waren oder irgendwas, wurden
sofort erst mal über unsere Handvermittlung gewarnt. Das Warnkommando
Dortmund unterstand dem sogenannten Flakbereichskommando. Wenn der bei
Dortmund stationierte Flakbereichskommandeur für den Raum Dortmund,
Essen, Bochum oder Hamm oder sonst was keine unmittelbare Luftgefahr
erkannte oder geben wollte, dann kriegten die keine Meldung. Man war
also auf Good will, möchte ich sagen, auf die Mentalität des jeweiligen
Flakbereichskommandeurs angewiesen. Das brachte natürlich mit sich, dass
in diesen Zeiträumen in den Städten Essen, Dortmund, Bochum usw. bei
überraschenden Tagesangriffen ungeheuer viel Personenverluste waren. So
war es jetzt am 25. Oktober 1944 auch in Hamm. |
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(Anmerkung des Verfassers: Siehe auch “Hamm 1945
–2-„ auf dieser Homepage. Dort ist der Bericht des Billet-Marzahl zu
diesem Angriff eingestellt, den er selbst schriftlich niedergelegt hat.) |
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Ich saß oben im Zimmer des Adjutanten. Ich war der
Geheimsachbearbeiter. Wenn ich Geheimsachen zu bearbeiten hatte, dann
ließ ich mir den Schlüssel vom Adjutanten geben, legte die Dinger auf
meinen Schreibtisch in seinem Zimmer und fing an zu arbeiten. An diesem
Tage, am 25.10.1944, hatten wir gegen 10 Uhr morgens „ L 15 „, also
„Luftgefahr 15 „ durchbekommen. Und dieser Zustand hatte sich gehalten
bis gegen kurz vor 12. Es kam keine neue Meldung. Und gegen12 Uhr rief
mich unsere Warnvermittlung aus dem Keller an. Sie saßen unten im
Keller, in der sogenannten Befehlsstelle; da waren etliche Räume, und
in einem Nebenraum befand sich die Warnvermittlung. Da saßen so fünf,
sechs Mädchen mit Kopfhörern und Sprechmuscheln, die die Mitteilungen
aufnahmen, die sie vom Warnkommando kriegten oder von den
Warnkommando-Nebenstellen. Da rief mich also eine Telefonistin an und
sagte: „ Herr Billet, können Sie vielleicht mal runter kommen ? Es
kommen so viel Einflugmeldungen, aber keine neue Luftwarnung.“ Da sagte
ich: „ Gut ich komme mal runter.“ Und dann sagte ich zum Adjutanten, zu
dem damaligen Oberleutnant Putsch: „ Herr Oberleutnant, ich schmeiße mal
den Kram in den Schrank und gehe mal runter.“ „ Ja, gehen Sie mal
runter,“ sagte er, „ und rufen Sie gleich rauf, wenn Sie was wissen.“ |
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( Anmerkung des Verfasser: Hier dürfte ein
Übertragungsfehler unterlaufen sein. Bei dem Adjutanten handelte es sich
um den Oberleutnant Hermann Pusch aus Hamm. Pusch war früher auf dem
zweiten Revier gewesen. Nach seiner Ausbildung zum Offizier war Pusch
dann wieder nach Hamm gekommen und wurde im Kommando verwandt. Nach dem
zweiten Weltkrieg war Pusch als Fachlehrer an der Polizeischule Münster
tätig. Dort war er 1961 einer meiner Ausbilder.) |
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(Wir saßen oben im 3. Stock im Kommando.) Dann
habe ich der Telefonistin, die mich angerufen hatte, so über die
Schulter geguckt und sah die Einflugmeldungen, die sie mitschrieb. Da
fiel mir auf, dass ein starker Verband sich aus dem Raum Wesel über
Borken unserer Stadt Hamm näherte. Das war mit Ach und Krach vielleicht
noch eine Luftlinie von 80 Kilometern. Da bin ich sofort in die
Befehlsstelle gerannt. Dort war nur der Luftschutzoffizier, das war auch
ein Reservist, ein Oberleutnant, und da sagte ich.: „ Hören Sie mal,
Herr Oberleutnant, ich glaube es ist allerhöchste Zeit, dass wir
verstärkte Warnung geben.“ (L 15 wurde nicht durch Sirenen bekannt, das
wurde nur durch Telefon bekannt. Krankenhäuser usw. und die Industrie,
die hatten all L 15 durchbekommen, gegen 10 Uhr schätzungsweise. Aber
um 12 Uhr wussten sie weiter alle noch nichts). Und dies war etwa gegen
12 Uhr, als ich dies feststellte, also es war höchste Zeit, dass wir
zumindestens die Alarmstufe vergrößerten, dass heißt, die Bevölkerung
alarmierten (Öffentliche Luftwarnung = Voralarm). Dazu war notwendig,
dass von unserer Befehlsstelle aus – da waren die Relais, an die
inzwischen sämtliche Sirenen angeschlossen waren – Alarm gegeben wurde.
(Ursprünglich hatten wir keine Möglichkeit, die Sirenen zentral zu
steuern. In den Jahren zuvor, also bevor ich zum Bataillon ging, da
haben wir noch Sirenenwagen gehabt. Die waren hinten auf solchen
Kübelwagen montiert. |
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(Anmerkung des Verfassers. Das Steuergerät, mit
dem die Leitungen zu den Sirenen geprüft und später die Sirenen auch
ausgelöst wurden, befindet sich als Leihgabe in der Ausstellung der
„Villa ten Hompel“ in Münster. Ebenso befindet sich dort eine
transportable Handsirene als Leihgabe, von der Billet-Marzahl hier
berichtet, das sie auf Kübelwagen montiert waren. Später waren die
Sirenen sogar auf Fahrradanhänger montiert und wurden so durch die
Innenstadt gefahren, weil Kraftfahrzeuge immer seltener zur Verfügung
standen und für die Außenbereiche gebraucht wurden. – Auskunft des
Kollegen Mohr, Funker und Fernmelder der Polizeidirektion Hamm.
Zuständig für die technische Ausrüstung. Koll. Mohr hatte noch eine
Handsirene aufbewahrt, die er an den Kollegen Dress weitergegeben hatte
und dieser hatte sie dem Kollegen Herbert Kaplanek, übergeben, von dem
ich sie für die Ausstellung erhielt.-) |
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Da wurde die günstigste Fahrstrecke nach Norden
und nach Süden, die habe ich sogar noch selbst eingerichtet, nach einem
genauen Strecken-Fahrplan gefahren. Sobald jetzt Alarm in der Innenstadt
gegeben wurde, dann hörten diese Stadtteile ihn oft nicht, je nachdem
wie die Windrichtung war. Dann sausten zwei Sirenenwagen wie irre los.
Das war ein ohrenbetäubender Lärm. Hinter einem standen die Sirenen, man
war als Fahrer allein in dem Wagen und raste dann wie so ein Irrer durch
die Gegend, damit die Leute hörten, es ist Fliegeralarm. Also nur im
Alarmfall, nicht bei sogenanntem Voralarm – es wurde ja alles noch
verfeinert – kam es in Frage. Dies geschah also nur bei Vollalarm. Das
hatte sich nun aber bis 1944 durch diese zentrale Auslösemöglichkeit
verbessert.)
Ich sagte also zu dem Oberleutnant in der
Befehlsstelle: „ Ich glaube, es ist Zeit, dass wir eine höhere Warnstufe
geben.“ Er erwiderte: „Ja meinen Sie vielleicht, ich lasse mich vor ein
Kriegsgericht stellen ?. Ich denke gar nicht daran, solange ich keine
Meldung vom Warnkommando habe, kann ich nichts machen“. Da habe ich
gesagt: „ Dann rennen Sie eben rüber und fragen Sie, vielleicht schlafen
die Brüder da drüben oder was weiß ich.“ Wir hatten dann ja nur zwei
Räume dazwischen, wo die paar Angehörigen der Wehrmacht saßen, die von
der Zentrale Dortmund eigentlich mehr wissen mussten. In dem Augenblick
( 12,20 Uhr), wo er raus rannte, habe ich auf eigene Faust einfach den
Hebel „Vorwarnung““ (Voralarm) gezogen, so dass alle Sirenen Voralarm
heulten. Darauf kam er stehenden Fußes wieder durch die Tür und sagte: „
Sind Sie wahnsinnig geworden?, wie können Sie ohne meine Erlaubnis das
machen ?. Da habe ich gesagt: „ Ich will Ihnen mal was sagen, wenn hier
heute was passiert, mein lieber Freund, dann geht das auf Ihr Konto. Die
Lage ist so brenzlig wie nur irgend was.“ Ich habe mich noch krasser
ausgedrückt. Nun hatten wir ja so viele Zivilverdienstverpflichtete im
Keller sitzen, Männer und Frauen, vielleicht so zehn, zwölf an der Zahl.
Ich sagte: „ Los packt Eure Klamotten und seht zu, dass ihr in den
Feidikbunker kommt.“ ( Im Feidikbunker war die eigentliche Befehlsstelle
im Alarmfall eingerichtet.) Dann sind die natürlich losgerannt. Ich
habe, weil ich dafür zuständig war, die Haussirene bei uns noch gezogen
und sofort Vollalarm gegeben; denn wir hatten ja auch 300 bis 400
Bedienstete in allen Räumen sitzen. |
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( Anmerkung des Verfassers: Über den gleichen Tag
gibt Billet-Marzahl später noch einmal einen schriftlichen Bericht ab,
der ebenfalls in dieser Homepage eingestellt ist. Siehe dazu unter „Hamm
1945 –2-„. ) |
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Mein Bataillon war früher in Köln stationiert. Ich
habe viele Nachteinsätze mit dem Bataillon gemacht im Luftkriegsgebiet,
wie das so schön hieß. Also, ich habe diese Angriffe in Aachen,
Mönchengladbach, Hagen, Köln usw., Duisburg so richtig mitgekriegt.
Daher wusste man auch, wie geworfen wurde, was geworfen wurde, was für
Maschinen in der Luft waren. Man konnte die Dinger schon am
Motorengeräusch unterscheiden. Man konnte auch bei Bombeneinschlägen
schon etwa unterscheiden, dass dies etwas Spezielles war. Die
Amerikaner flogen jetzt diese Angriffe mit den Engländern zusammen. In
den Nachtangriffen flogen sie gewöhnlich zusammen, und bei den
Tagesangriffen flogen sie ( die Amerikaner) meistens alleine. Und dieser
Angriff ( am 25.10. gegen 14,00 Uhr) war aber ein englischer Angriff. Es
waren gar nicht viele Maschinen gewesen. Es war wie folgt: Vorwarnung,
Fliegeralarm, Panik auf der Straße, Panik vor den Bunkern, große
Gedränge, am Bunker. Freilich ging alles glimpflich ab, relativ, ein
paar Hautabschürfungen. |
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Anmerkung des Verfassers: Hier irrte sich Herr
Billet-Marzahl.
Nach mir vorliegenden Gefallenlisten, kamen am
Bunker Posener Str. bei diesem Angriff 4 Menschen zu Tode. Vor dem
Bunker Widumstraße starben 6 Menschen. Es waren dies:
1. Christa Raeder geb. 23.4.1828 wh.
Juffernbuschstr. 77
2. Erna Nohnke geb. Bothe, geb.
5.10.1888, Heßler Str. 6
3. Franz Müller, geb. 29.1.1876, Hermannstr. 31 a
4. Veronika Rasch geb. 17.8.1892
5. Kläre Frigge geb. 30.9.1901, Oststr. 63
6. Martha Geck geb. Kiesewetter , Nordenwall.
In dem Erdbunker Oststraße starben 14 Menschen.
Im Stadthaus kamen 10 Menschen zu Tode.
Im öffentlichen Luftschutzraum Brüderstraße
starben 11 Menschen und im Erdbunker Karlsplatz wurden 6 Menschen
getötet. |
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Der damalige Polizeidirektor Rotmann, der örtliche
Luftschutzleiter, hatte in der Feidikstraße, da ging es vor dem Bunker
so ein paar Stufen runter, eine Rutsche legen lassen, damit die Leute,
wenn sie drängten, sie drängten ja von beiden Seiten in diesen Vorbau
rein, nicht über die Stufen stolpern sollten. An diesem Tag lag diese
Rutsche auch schon da. Da haben sich die Leute auch reingedrängt, es
sind dann ein paar gestürzt, es hat sich, wie gesagt, nicht groß was
ereignet. Wir waren ungefähr so 50 bis 60 Uniformierte, die so etwa zu
dieser Zeit am Bunker ankamen, wo die Menschen sich von zwei Seiten
pressten. Ich habe dann gebrüllt: „ Seien Sie doch ruhig, gehen Sie
langsam rein. Sie kommen ja sonst überhaupt nicht rein! Ist doch nur die
Flak, die schießt“, habe ich gerufen. Worauf eine Frau aus der Menge
brüllte: „ Meinen Sie ich habe keine Ahnung, wie eine Bombe explodiert
?“. Sie hatte natürlich Recht. Alle Menschen waren jetzt drin im Bunker
Feidikstraße. Ich kann das jetzt nur von dieser Warte aus sagen, das
andere habe ich dann recherchiert. Wir hatten noch gar nicht die Bomben
unten, das ging ruck-zuck, da brüllte auch schon durch die
Befehlsleitung von Münster der Befehlshaber der Ordnungspolizei durch: „
Sauerei, was ist in Hamm los ? Warum kriege ich keine Lagemeldung ?“ Da
sagte der Kommandeur, der Major Stolzenberg, zu mir: „ Billet, schnappen
Sie sich den Kübelwagen, fahren Sie (Angriffsziel war offenbar der
Bahnhof) mal los und sehen Sie zu, was los ist.“ Ich fuhr mit dem
Kübelwagen zum Bahnhof, sah an der Post, wie die ersten Verwundeten und
die Leute da rein getragen wurden. Ich lief ins Bahnhofsgebäude. Da sah
ich dann etwas, das mir so die ganze Schwere des Krieges noch mal so
richtig vor Augen führte. Da trugen zwei Landser vom Elitebataillon
„Feldherrnhalle“ in einer Zeltbahn eine blutige Fleischmasse heraus. An
zwei Zipfeln der Zeltbahn hingen zwei so kleine Jungen und die schrieen
immer „Mutter, Mutter“. Da dachte ich, was ist das doch für ein
erbärmlicher Krieg. Das war mir doch so an die Nieren gegangen. Ich bin
dann durch die Sperre durch. Ein Bahnsteig lag im Keller, der Bahnsteig
4 oder 5 muss es gewesen sein. Dann bin ich darüber geklettert und bin
erst mal auf einen Bahnsteig gelaufen, den nächsten der heil war. Ich
bin also dort hoch und habe mir von da aus die Lage angesehen. Da
standen sämtliche Schienen mit Ausnahme von Gleis 1 und 2 (die sind ja
unmittelbar hinter dem Gebäude) wie Korkenzieher in der Luft. Es war
jede Schiene, möchte ich sagen, getroffen. Der Angriff war mit
Spezialpanzerbomben von zweimotorigen Maschinen geflogen worden. Man
hatte offenbar den Bahnhof Hamm treffen wollen. Jetzt war die Frage,
warum sollte der Bahnhof Hamm getroffen werden ?. Die Frage war
beantwortet, wenn man sah, was auf Bahnsteig 1 war. Auf Bahnsteig 1
Gleis 1 hielt ein Zug „ Feldherrnhalle“, der aus Richtung Berlin
gekommen war und weiter nach Aachen fahren sollte. Auf Gleis 2 stand ein
Flüchtlingszug, der von Aachen kam. (Aachen wurde ja evakuiert zu dieser
Zeit schon). 3000 Menschen befanden sich in dem Zug, und ich weiß nicht,
wie stark die Division „Feldherrnhalle“ war. Dem hatte der Angriff
gegolten. Da können Sie mal sehen, nicht wahr, dass also die Leute genau
im Bilde waren. Diese Züge waren nicht getroffen worden. Das hätte was
bei dieser Kurzwarnung gegeben. Ich weiß nicht, ob die Bahn noch eine
eigene Warnung bekommen hat, glaube aber, dass doch ein großer Teil der
Leutchen gar nicht mehr aus den Zügen herausgekommen ist . Ich fuhr
jedenfalls mit meinem Kübelwagen so schnell wie möglich zurück, machte
meine Meldung, so dass sie nach Münster durchgegeben werden konnte.
Anschließend war die sogenannte Lagebesprechung; da waren dann alle
Dienststellenleiter einschließlich der Dienststellenleiter des SHD, das
waren Gruppenführer, Zugführer usw. mitbeteiligt. Nun habe ich, obwohl
ich nicht zu den Einsatzleitern gehörte (aber ich gehörte nun einmal zum
Stab), gesagt: „ So geht das nicht weiter, meine Herren. Das ist
undenkbar. Die schmeißen uns die Leute ja kaputt, ohne das wir etwas
dagegen unternehmen können. Das ist ganz furchtbar.“ Ich hatte gar keine
Zeit, dieses Erlebnis zu schildern. Ich habe dann gesagt:“ Das ist ganz
grauenhaft. So geht es auf keinen Fall. Noch am gleichen Tage, wurde
dann in der gleichen Nacht, gleich anschließend daran, von unserer
Nachrichtenabteilung (Funker usw.) ein Zeichner beauftragt,
Luftlagekarten anzufertigen. Diese waren in Planquadrate aufgeteilt.
Jeder, der damals den Reichsrundfunk abhörte, kannte diese Zeichen, die
es dann gab. Dieses „Von A1 nach B4 fliegt jetzt ein Verband“ usw, usw.
Am 26. abends war, möchte ich sagen, das Wichtigste fertig, waren also
Geräte installiert, waren Planquadrate da. Ein Luftlageauswertraum wurde
neben dieser Befehlsstelle eingerichtet. Meine Luftlagekarte lag unter
Glas. Da habe ich mich vorgesetzt , die ersten Tage und Nächte, und habe
nun alle Meldungen, die ich über unsere Funkgeräte und unsere
Telefongeräte erfahren konnte, zusammengefasst. Ich bin nach einem
relativ ganz einfachem Schema verfahren. Ich habe so zwei Zirkelschläge
um Hamm machen lassen, einen mit 100 Kilometer Radius und einen mit 150.
Gewöhnlich war es so: Als die Luftwarnung noch klappte, hatte man immer
gut so einen Spielraum von etwa einer Viertelstunde bis 20 Minuten, bis
sich irgendwas auf den Raum konzentrierte, weil die Flieger manchmal
auch abgedrängt wurden. Möglicherweise waren Jäger von uns aufgestiegen
und hatten den Pulk abgedrängt oder irgend was. Oder die alliierten
Verbände flogen eine Schleife, flogen um. Da habe ich gesagt: „ So geht
das alles nicht. Die Warnungen kommen mindestens 5 bis 10 Minuten zu
spät. Wir müssen wieder Ruhe rein bringen, und vor allem müssen wir
Sicherheit reinbringen.“ Dann habe ich es so gehandhabt : Sobald eine
Meldung zeigte, dass irgendein Verband diesen Radius anflog, bei 150
Kilometer, habe ich sturheil Voralarm und sobald sich der Verband 100
Kilometer näherte, Vollalarm gegeben. Es dauerte dann vom Vollalarm an
noch gut 10 Minuten. Ich muß sagen, danach trat allmählich auch wieder
Ruhe ein. Ich war ja selbst betroffen, ich hatte ja selbst eine Frau mit
kleinen Kindern und konnte es nachfühlen, wie es den Frauen zumute ist,
die ihre Kinder immer wieder aufnehmen mussten und dauernd in Panik und
Angst waren. Also kurz und klein, in diesen Tagen, so etwa Ende Oktober
1944, habe ich dann einen Kommissionsbericht gelesen, das heißt, so
einen Fetzen eines Berichtes. Da stand der lapidare Satz drin, dass auf
absehbare Zeit keine wirksamen Gegenmaßnahmen gegen die sich
verstärkenden Luftangriffe von unserer Seite gemacht werden konnten. |
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Frage: Und die Flak war auch nicht sehr wirkungsvoll ? |
Billet-Marzahl: Die Flak war nicht sehr
wirkungsvoll, nein. Das kann ich aus eigener Anschauung sagen, soweit es
den Raum Köln anbelangt. Ich lag in einer Kaserne genau gegenüber von
Humboldt-Deutz am Rheinufer, und zwar nicht weit entfernt. In den
sogenannten Rheinwiesen war schwere Flak stationiert, und zwar jeweils 4
Batterien. Eine Batterie hat immer 4 Geschütze, das sind jeweils
insgesamt 16 Geschütze. Sobald ein Nachtangriff auf Köln geflogen wurde,
waren die Rheinwiesen, wo die Flak stand, das erste Ziel. Da konnten sie
zählen, wie viel Geschütze noch schossen. Also diese Jungs, die haben
mir furchtbar leid getan. Aber auch wir, die wir in den Kasernen lagen,
hatten auch keinen Schutz. Wir hatten keine Schutzräume, sondern
lediglich normale Keller, die durch Stempelchen abgestützt waren. Ich
war der einzige Reservist, der in einem Polizeibataillon Spieß war. Und
ich kriegte damals eine ganze Kompanie Kämpfer zurück. Leute, also aus
einem Polizeibataillon, aktive Leute, die zum Teil kleine Heimatschüsse
hatten; sie waren nach Kämpfen zurückgezogen worden. Sie waren alle hoch
dekoriert, hatten Panzersturmabzeichen und EK 1 usw.. Sie hatten ja nun
wirklich Pulverdampf gerochen. Nachdem die so zwei Nächte mit uns da in
diesen behelfsmäßigen Luftschutzkellern zugebracht hatten, da waren sie
mit den Nerven am Ende. Da haben sie gesagt, um Gottes Willen, wären wir
bloß an der Front! Man war eben schutzlos diesen Angriffen ausgesetzt.
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Frage: Waren die Flakgeschütze nicht ausreichend
? Hatten sie keine ausreichende Reichweite ? |
Billet-Marzahl: Ja das schon, aber es waren
natürlich zu wenige. Es waren viel zu wenige. Auch waren sie wohl nicht
immer rund um die Uhr besetzt. Wir hatten hier in Hamm auch mal in der
letzten Phase auf dem Großen Exerzierplatz so ein paar Geschütze stehen.
Aber ich glaube, an dem Tage; als dieser Blitzangriff erfolgte, hatte
die Besatzung gerade dienstfrei. Da liefen sie in der Stadt spazieren.
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Frage: Das einzige, was Sie hier in
Hamm im Herbst 1944 tun konnten, war also, das Warnsystem zu verbessern
? |
Billet-Marzahl: Das einzige, was ich
machen konnte. Ich war auch nicht der Auffassung, wie man hier
vielerorts war, dass man uns nachts nicht finden könnte. Es wurde
gesagt, Hamm liege in einem Nebelloch, nachts hätte wir nichts zu
befürchten. Ich habe erwidert, wer gibt die Gewähr dafür, dass wir nicht
einen überraschenden Nachtangriff bekommen ? Ich weiß, ich habe einmal
blitzschnelle die Leute mit einem Vollalarm nachts in die Keller gejagt.
Aber ich habe das bewusst getan. Am Anfang des Krieges waren alles
Nachtabwürfe mit Ausnahme eines Angriffs. In dieser letzten Phase
nachher, in diesen letzten Monaten nun verstärkten sich ab November,
Dezember 1944, Januar 1945, vor allen Dingen die Einflüge. Morgens um 8
Uhr ging der Dienstbetrieb in der Luft los. Nördlich von Hamm sahen Sie
die alliierten Flugzeuge in West-Ost-Richtung fliegen. Immer flogen sie
in großen, großen Pulks ein. Ich hatte schon immer Bedenken, dass unsere
ganze Luftabwehr von A bis Z, doch sehr, sehr dünn war. Nun kann man
sich vorstellen, in den Dienststellen waren sehr viele Frauen, die
dienstverpflichtet waren usw. . Zu mir kamen sie dann immer so und
sagten: „ Herr Billet, ist denn bald Schluß ?“ Da habe ich ihnen
geantwortet: „ Ostern (1945) ist Schluß. Glauben Sie es mir.“ Und ich
habe Recht behalten. Ich habe von mir aus das Menschenmögliche getan, um
Unheil von vielen Menschen abzuwenden. So sagte mir damals Herr
Schuster: „Herr Billet, wenn Sie nicht in Hamm gewesen wären, wären
bestimmt einige tausend Leute mehr zu Tode gekommen.“. |
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(Anmerkung des Verfassers: Polizeirevierleutnant
–später wieder Polizeiobermeister- Willy Schuster, war seit 1921 bei der
staatlichen Schutzpolizei in Hamm. Während des Krieges war er der
leitende Geschäftszimmerbeamte beim Kommando der Schutzpolizei. Er war
in alle Vorgänge bei der Hammer Polizei eingeweiht. Nach dem Krieg war
er ebenfalls Leiter des Geschäftszimmer der Schutzpolizei. Willy
Schuster war der Erste, der sich in Hamm mit der Niederschrift der
Hammer Polizeigeschichte beschäftigte. Von ihm habe ich unzählige
Geschichten und Dönekes erfahren.) |
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Das liegt natürlich im Bereich des Möglichen. Ich
hatte mir da neben meinem Auswertraum ein ganz kleines Eckchen mit einem
Feldbett eingerichtet. Ich bin monatelang nicht aus dem Keller
herausgekommen. Unser damaliger Polizeiarzt sagte mir :“ Herr Billet,
ich würde Ihnen ja furchtbar gern ein bisschen Urlaub gönnen, aber wir
können Sie nicht entbehren.“ |
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(Anmerkung des Verfasser: Dr. Wilms war seit dem
Bestehen der staatlichen Schutzpolizei in Hamm als Polizeivertragsarzt
verpflichtet. Er war im Kriege gleichzeitig leitender Luftschutzarzt und
damit Vorgesetzter aller Bunkerärzte und der eingesetzten
Luftschutzärzte und Vorgesetzter des gesamten
Luftschutzsanitätspersonals. Dr. Wilms war auch nach dem Kriege
Polizeivertragsarzt bis zu seinem Tode am 30.10.1955. Er war ein äußerst
beliebter Mann und wurde auch in der Bevölkerung sehr geschätzt.) |
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Dann hat man Ende Januar 1945 damit begonnen, dass
man die sogenannten Lageauswerter - oder vielmehr, dass man die mit
Luftlage vertrauten Männer – in Dortmund zu einem Lehrgang
zusammenziehen wollte, um eigene Luftwarnungen aufzubauen. Also, diese
Notwendigkeit hat man drei Monate später dann von oben erkannt. Leider
zu spät. Es war ja so: kein Mensch hatte eine Nachricht. Ich habe
faktisch die Wehrmacht verständigt. Das Lazarett rief mich an.: „Wie
sieht es denn heute abend aus ?“ Auch die Batterieführer der Flak in
Berge riefen mich an und fragten:“ Bilet, was ist denn los ?“ Da
entgegnete ich: „ Mensch, Kinder, warum wollt ihr das überhaupt wissen?
Schießt Ihr denn ?“ – „Nein, wir haben keine Munition.“ Dann habe ich
den jeweiligen Batterieführern gesagt, Leutnant, Oberleutnant: „ Passen
Sie auf, da fliegt uns jetzt ein Verband an. Vermutlich kriegen wir dann
und dann etwas auf den Kopf.“ Meistens habe ich mit diesen Prognosen
recht behalten. Ich erinnere mich an den letzten schweren Angriff, den
wir auf Hamm hatten. Das muß im Februar 1945 gewesen sein. Es war ein
Sonntagmorgen; da hatten wir einen ganz ruhigen Dienstbetrieb. Ich hatte
mir dann oben so ein bisschen Kaffee aus der Küche geholt und ein wenig
gefrühstückt und mir wie üblich die Luftlage angesehen. Sonntags war
sehr oft Ruhe, eigentümlicherweise . Da haben die Alliierten auch nicht
gerne Einsätze geflogen. Das war eine richtige Erholung. An diesem
Sonntagmorgen waren so um halb 10 die ersten Einflüge gemeldet. Na,
denke ich, die fliegen heut wieder, die Brüder. Um 10 Uhr verstärkten
sich die Einflüge. „L 15“ hatte ich durchgegeben, und dann sagte ich:
„Ach, wissen Sie was, ich gebe Voralarm. Mir ist das zu mulmig. „ So
gegen 10 Uhr gab ich also Voralarm. Gleich ging das Telefon. Der
Polizeidirektor Dr. Rotmann (er hatte ja auch im 1. Stock seine Räume)
sagte : „Herr Billet, was machen Sie denn ? Ist doch nichts los in der
Luft, fliegen doch alle durch, nach Berlin oder Hamburg.“ – „Wissen Sie
das denn genau? Woher wissen Sie das denn Herr Rotmann ?“ entgegnete
ich. – „Ja, ich kann nichts weiter sehen“, erwiderte er. Ich sagte:
„Warten Sie ab; wir lassen es so.“ Nach dem Rasieren kam er runter, so
um halb 11, und sagte: „Mensch, heben Sie doch den Luftalarm wieder
auf.“ Da erwiderte ich: „ Sie sind der örtliche Luftschutzleiter. Soll
ich aufheben ? Auf Ihre Verantwortung! „ – „Ne, ne, ich will Ihnen nicht
dazwischen reden“, sagte er. „ Sind Sie mit meiner Luftwarnung nicht
zufrieden, Herr Polizeidirektor ? „ fragte ich. – „Doch, doch, da will
ich nichts gegen sagen.“ Ich sagte: „ Soweit ich im Bilde bin, soweit
ich überhaupt von draußen was höre, ist doch einigermaßen Ruhe in der
Bevölkerung eingetreten.“ – „Ja, Mann , die Leute haben doch diese Woche
44, 48 Stunden im Bunker gesessen.“ Da entgegnete ich: “ Dann sitzen sie
jetzt noch ein paar Stunden drin. Und zwar aus folgenden Gründen hebe
ich den Alarm nicht auf: Es ist Sonntag. Gebe ich jetzt Entwarnung, und
es kommt etwas auf uns zu, dann kriege ich sie so schnell nicht wieder
in den Bunker. Die Leute rennen nämlich jetzt nach Hause und machen
endlich mal ein Mittagessen, es ist halb 11, und kochen mal was.
Außerdem ist mir die Lage auch unklar. Mir ist hier ein Verband abhanden
gekommen und den finde ich nicht wieder. Deswegen hebe ich nicht auf.“ –
„ Ich will Ihnen auch nicht dazwischen reden“, sagte er. Um 11 Uhr gab
ich Vollalarm. Es fiel mir nämlich auf, dass im Raum Teutoburger Wald
500, 600 Jäger herumkreisten, ohne erkennbare Veränderung ihrer
Position. Ich dachte, da stimmt irgend was nicht, da muß irgend was
sein. Plötzlich um kurz vor 12 kam Rotmann noch mal runter und sagte,
ich sollte den Luftalarm aufheben bzw. wenigstens Vorentwarnung geben.
„Jetzt schon gar nicht“, erwiderte ich. Ich hatte es kaum ausgesprochen,
da bekam ich die Meldung durch: „ Ein starker Verband im Anflug auf
Hamm“. Der war ganz plötzlich aufgekreuzt. „Vorsicht für Hamm“ hieß es
dann. Aber er hatte es kaum ausgesprochen, da rasselte der ganze Kram
auch schon runter. Licht weg, Staubwolken, bei uns im Keller. Da habe
ich natürlich gebrüllt, was so ein Mensch in so einer Situation brüllt:
„Verdammte Scheiße“, sagte ich, „ wenn der Kerl hier noch mal runter
kommt“. - Da rasselte auch schon mein Feldtelefon – andere Leitungen
hatten wir sowieso keine zum Bunker Feidikstraße. Da sagte Major L.:
„Herr Billet, ich habe Ihnen schon hundertmal gesagt, wenn Alarm gegeben
wird, haben Sie in der Befehlsstelle im Bunker zu sein“. |
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( Anmerkung des Verfassers: Anrufer war der Major
der Schutzpolizei Levsen, Kommandeur der Schutzpolizei in Hamm. Major
Levsen übernahm auch nach Kriegsende die Führung der Hammer
Schutzpolizei.) |
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Willi Billet-Marzahl ( Richtig: Wilhelm
Billet-Marzahl) hat noch eine weitere Aufzeichnung vom Kriegsende in
Hamm hinterlassen. Auch diese wird von mir hier eingestellt. Siehe
Kriegsende 1945 –08. |
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