Sudetenland
Home Nach oben Polizeisport Kontakt Wachen 1921-2007 Polizei Aktuell Bürgernahe Polizei Heessen Bilder Sammlung Die Polizeiführung Polizeiärztlicher Dienst Hamm 1944 Hamm 1945 Die Hochbunker Gedenktafel Reichskristallnacht Polizei und Musik Polizeigruppenposten Puppenbühne Bergamt Hamm Weststr. 9 Hammer oder Hammenser Das erste Auto in Hamm zu meiner Person Gästebuch

 

Sudetenland 2

Die Hammer Polizei im Auslandeinsatz

- 1938 – Tschechoslowakei – Sudetenland

von Polizeihauptkommissar a.D. Siegfried Paul

 

Der zweite  Auslandeinsatz der Hammer Polizei, fand ebenfalls im Jahre 1938 statt. Diesmal war der Polizei beauftragt, die Wahlen im Sudetenland vorzubereiten und zu begleiten.  Ein umfangreicher Einsatz, von dem ich noch eine ganze Reihe Einsatzberichte habe.  Damit  der Leser sich einen Eindruck von diesem Einsatz und der damaligen Zeit machen kann, habe ich bewusst  zusammenfassende Einsatzberichte, die von den teilnehmenden jungen Polizeibeamten verfasst wurden, hier eingestellt. Nach meiner Ansicht kann man die 1938 herrschende Denkweise nicht besser wiedergeben.

 
Eine Aufstellung der teilnehmenden Beamten füge ich als Anlage bei. Hier nun der Bericht des Polizeiwachtmeisters Herbert Schenk aus Hamm:
 

Hamm (Westf.), den 26. 11. 1938

 
 Meine Erlebnisse beim Einmarsch in das Sudetenland.

    Drei  Kameraden  und ich werden zum Kommando gerufen. Hier erfahren wir, dass wir für eine bestimmte Zeit zu einem besonderen Dienst abkommandiert werden. Übermorgen, am 5.9.38, haben wir uns in Wuppertal, Kohlstr. 10 zu melden. Auf der Bekleidungskammer empfangen wir die grüne Uniform und allerhand Ausrüstungsstücke. Brotbeutel mit Feldflasche, Karabiner mit scharfer Munition. Wir sehen uns gegenseitig an, unsere Augen leuchten heller als man uns die Munition überreicht. Wir lachen und mit etwas Humor lassen wir die „scharfen Sachen“ in unseren Patronentaschen verschwinden. „Jetzt wird es ernst“, äußert sich der dicke Fellner und unser Kurti meint, „was sie wohl mit uns vorhaben?“. „Es geht sicher zum Sudetenland“, sagt der lange Ernst, und da die Sudetenfrage sehr akut ist, gebe ich ihm meine Zustimmung.  Na, dann Hals- und Beinbruch und auf dem Bahnhof werden wir uns dann ja feldmarschmäßig wiedersehen.

 

Mein Koppel ist mit allerlei Kriegsraritäten behangen. Mit dem Karabiner auf dem Rücken und in jeder Hand einen Koffer, betrete ich die Bahnhofshalle. Meine Kameraden sind schon dort und außer ihnen hat sich manch schöne junge Maid mit eingefunden. Manchen fällt der Abschied schwer und ist froh, dass er auf meinen Vorschlag hin sich im Wartesaal bei einem Hellen, Marke Isenbeck, besondere Abschiedsworte suchen kann. Kurt erzählt besonders viel, denn außer  seiner Braut hat sich auch sein Schwiegervater zu diesem feierlichen  Abschied eingefunden. Auf dem Bahnsteig ist der Abschied so rührend, dass uns der Zugführer eine besondere Einladung zum Einsteige geben muß. Langsam setzt sich der Zug in Bewegung und die Mädchen mit den flatternden Taschentüchern entschwinden unseren Augen. 

 

 Unser erstes Ziel ist Wuppertal. Hier haben wir uns bei einem    Oberleutnant Weber, der gleichzeitig Führer des Feldgendarmerietrupp 2/57 ist, zu melden.  Wir werden seinem Trupp zugeteilt. Ein älterer Kamerad gibt uns die ersten Anweisungen und zeigt uns einen Raum, in dem wir schlafen sollen. Am anderen morgen tritt der Trupp an. Die Kameraden begrüßen sich und hier wird für die kommenden Zeit eine echte Kameradschaft zugesichert. Bald kommt Oberleutnant Weber und erzählt uns über den Zweck und die Aufgaben des Gendarmerietrupps. Gespannt hören wir zu. Endlich soll das Geheimnis gelöst werden und nun sollen wir wissen , was mit uns wird. Am 9.9.38 sollen wir Wuppertal verlassen. In den kommenden Tagen haben wir unsere Tschakos gegen einen Stahlhelm umzutauschen. Zeltbahn, Gasmaske und Kochgeschirr müssen auch noch empfangen werden. Am vorletzten Tag ist die Übernahme von Privatkraftfahrzeugen. Für uns ist dies das wichtigste, den wir sollen ja diese Wagen fahren. 30 Wagen, Marke Adler-Junior, stehen am anderen Morgen auf unserem Hof. Sie werden von Fachleuten gemustert. Mir wird ein heller Wagen übergeben. Ein junges Mädel ist die Besitzerin und wenig erfreut übergibt sie mir die Wagenschlüssel. Ich gebe ihr mein Versprechen stets den Wagen so zu behandeln, wie man ein junges Mädel zu behandeln pflegt. Auch wollte ich immer schreiben, wo ich mich mit dem Wagen befinde. Sie wollte mir ihre Adresse sagen, jedoch füllten sich ihre Augen mit Tränen und rasch verlies sie den Hof. Ich hörte nur noch den Namen Lotte.

Am gleichen Abend verpackten wir unsere Sachen in die Fahrzeuge. In aller Frühe des nächsten Tages setzte sich der Gendarmerietrupp in Marsch. Die erste Reise ist in Kassel beendet. In einem Vorort von Kassel haben wir Privatquartier. Am folgenden Tage setzen wir unsere Fahrt bis Erfurt fort. Sonnabend und Sonntag bleiben wir hier. Montag geht die Reise weiter bis Greiz, wo wir für 14 Tage einquartiert werden. Hier wird uns erst richtig klar, was eigentlich los ist. Wir empfangen noch die letzten Teile unserer Ausrüstung. Wir werden unterrichtet und es wird uns gesagt, dass unser Gendarmerietrupp der 1. Leichten Division unterstellt ist. Wir werden als Wehrmachtsangehörige vereidigt und verrichten unseren Dienst innerhalb der Division. Unsere Arbeit ist Tankstellen und Verpflegungsstellen zu überwachen, Verkehrsposten stellen und die Truppen an größeren Kreuzungen durchzuschleusen. Außer dem Dienst hatte man auch für genügend Freizeit gesorgt. Da mich mein PKW IX-202769 bis hierher so treu gebracht hat, wird er unter der Patenschaft der Hammer Kameraden auf den Namen  „Brave Lotte“ getauft. Nach der Taufe erhält der helle Wagen einen grauen  Anstrich. Beim Anblick des Wagens mit dem neuen Anstrich erinnerte ich mich an die blonde Lotte in Wuppertal und malte mir aus, was sie wohl für Augen machen wird, wenn sie den Hellen als feldgrauen Krieger zurückerhält.
 Der Kontakt mit der Bevölkerung ist bald hergestellt. Die kleinen Mädchen sind unsere besten Freunde geworden. So verleben wir hier die schönsten Tage unserer Reise. Vielen Kameraden wird der Reisberg in ewiger Erinnerung bleiben. Wer ihn nicht kennen gelernt hat, ist sicher über 60 Jahre gewesen. 

Während die Tage in Greiz zu Ende gehen, tagten in München die vier Staatsmänner der Westmächte, um über das Tschechen-Problem zu verhandeln. Das Ergebnis ist bekannt und am 1.10.38 ziehen deutsche Truppen in das Sudetenland ein. Wir Hammer Kameraden gehören zu der Abteilung, die die dritte Zone besetzen und dürfen mit dabei sein, wie Deutsches Land nach 20 jähriger Fremdherrschaft zum Mutterland zurückkehrt. In Waithaus fahren wir fast an der Spitze der Division über die Grenze. Vor uns fahren Panzerspähwagen und Tanks. Bis zur Zollstation ist alles ruhig. Große Betonstücke liegen auf der Straße. Betonsockel, die als Hindernisse bestimmt waren, haben unsere Pioniere gesprengt. Die ersten Ortschaften, die wir erreichen, sind mit Blumen, Fahnen und Girlanden geschmückt. Über der Straße hängen große Schilder mit der Aufschrift: „ Wir grüßen die deutsche Wehrmacht und danken unserem Führer„. Brausender Jubel klingt uns entgegen, Blumen, Zigaretten und Obst wirft man in unsere Fahrzeuge. So geht unsere unvergessliche Fahrt bis Haid. Haid ist eine kleine Stadt und hat sich reichlich für unseren Empfang vorbereitet. Der Wettergott hatte es nicht gut gemeint, nass bis auf die Haut nimmt uns die Bevölkerung von Haid in Empfang. Auf dem Marktplatz machen wir halt und sitzen ab. Die Bevölkerung bildet um uns einen Ring. Wir sind eingeschlossen von glücklichen Menschen, deren Begeisterung kein Ende finden will. Blumen werden an unsere Uniformen geheftet. Die Männer bieten Zigaretten und Zigarren an, während die Frauen uns Butterbrote reichen. Der eine oder andere von uns hat eine Flasche Pilsener erwischt. Der Oberleutnant gibt bekannt, dass sich jeder sein Quartier selber suchen kann. Das Kommando „Wegtreten“ ist noch nicht ganz ausgesprochen, da hat uns die Bevölkerung an den Armen und bat uns, doch bei ihnen ins Quartier zu kommen. Ein älterer Herr fasste mich an das Koppel und bat, doch bei ihm ins Quartier zu kommen, seine Kinder würden sich freuen. Ich nahm das Quartier dankend an. Seine Jungens, die bei ihm waren, trugen stolz meine Ausrüstung (Stahlhelm und Gewehr) nach Hause. Ich hatte Glück, bei netten Leuten ein gutes Quartier bekommen zu haben. Es wurde viel über die Zeit gesprochen, die sie unter der Fremdherrschaft durchgemacht haben. Sie bedauern es sehr, dass es an diesem Befreiungstage regnen muß. Ich beruhigte sie, indem ich unter anderem sagte: „ Es sind ja nur Benesch-Tränen“.  In Haid blieben wir einige Tage und besetzten dann an einem Sonntagmorgen die Stadt Mies. Der Empfang in Mies war noch freudiger, weil die Bevölkerung noch sehr unter der Gewaltherrschaft der Tschechen gelitten hatten. Sechs Stunden vor unserer Besetzung der Stadt, hatten die Frauen  und  Mädchen  für  die  Tschechen  noch  Schützengräben auswerfen müssen. Nachdem der Einmarsch in Mies beendet war, ging es wieder nach Haid zurück. Hier wurde der Gendarmerietrupp in kleinere Gruppen aufgeteilt und zur Dienstleistung auf verschiedene Orte verteilt. Von den Hammer Kameraden kam ich allein nach Plan und verrichtete meinen Dienst bei einem Artillerie-Regt. . Durch Sonderaufträge hatte ich Gelegenheit die bekannten Bäder Karlsbad und Marienbad kennen zu lernen.

       Der Rückmarsch in die Heimat kam plötzlich. In Haid wurde der Gendarmerietrupp wieder zusammengezogen. Hier traf ich auch die Hammer Kameraden wieder. Die Reise ging zunächst bis Fulda, wo ein Ruhetag eingelegt wurde. Wir hatten über 400 km zurückgelegt und hatten noch die gleiche Weite bis zu dem Endziel Wuppertal zurückzulegen. In Wuppertal wurden die Ausrüstungsgegenstände wieder abgegeben. Auch meine „ Brave Lotte“ wurde von ihrer Besitzerin übernommen. Von Wuppertal traten wir mit der Eisenbahn unsere Heimreise nach dem schönen Lippestädtchen Hamm an.

 

 In der Heimat angekommen

fing das alte Leben wieder an;

von der Wachtour A übernommen

geh ich Streife 10 nach Plan.

Herbert Schenk

Pol. Wachtmeister

 

Den obigen Einsatz haben die Hammer Polizeibeamten Fellner, Riemann, Weber und Schenk erlebt.