| |
Die Hammer Polizei im Auslandeinsatz
|
- 1938 –
Tschechoslowakei – Sudetenland |
von Polizeihauptkommissar a.D. Siegfried Paul |
|
Der zweite Auslandeinsatz der Hammer Polizei, fand
ebenfalls im Jahre 1938 statt. Diesmal war der Polizei beauftragt, die
Wahlen im Sudetenland vorzubereiten und zu begleiten. Ein umfangreicher
Einsatz, von dem ich noch eine ganze Reihe Einsatzberichte habe. Damit
der Leser sich einen Eindruck von diesem Einsatz und der damaligen Zeit
machen kann, habe ich bewusst zusammenfassende Einsatzberichte, die von
den teilnehmenden jungen Polizeibeamten verfasst wurden, hier
eingestellt. Nach meiner Ansicht kann man die 1938 herrschende Denkweise
nicht besser wiedergeben. |
|
Eine Aufstellung der teilnehmenden Beamten füge ich als Anlage
bei. Hier nun der Bericht des Polizeiwachtmeisters Herbert Schenk aus
Hamm: |
|
Hamm (Westf.), den 26. 11. 1938 |
|
Meine Erlebnisse beim Einmarsch in das Sudetenland.
Drei Kameraden und ich werden zum Kommando gerufen. Hier erfahren wir,
dass wir für eine bestimmte Zeit zu einem besonderen Dienst
abkommandiert werden. Übermorgen, am 5.9.38, haben wir uns in Wuppertal,
Kohlstr. 10 zu melden. Auf der Bekleidungskammer empfangen wir die grüne
Uniform und allerhand Ausrüstungsstücke. Brotbeutel mit Feldflasche,
Karabiner mit scharfer Munition. Wir sehen uns gegenseitig an, unsere
Augen leuchten heller als man uns die Munition überreicht. Wir lachen
und mit etwas Humor lassen wir die „scharfen Sachen“ in unseren
Patronentaschen verschwinden. „Jetzt wird es ernst“, äußert sich der
dicke Fellner und unser Kurti meint, „was sie wohl mit uns vorhaben?“.
„Es geht sicher zum Sudetenland“, sagt der lange Ernst, und da die
Sudetenfrage sehr akut ist, gebe ich ihm meine Zustimmung. Na, dann
Hals- und Beinbruch und auf dem Bahnhof werden wir uns dann ja
feldmarschmäßig wiedersehen. |
|
Mein Koppel ist mit allerlei Kriegsraritäten behangen. Mit dem
Karabiner auf dem Rücken und in jeder Hand einen Koffer, betrete ich die
Bahnhofshalle. Meine Kameraden sind schon dort und außer ihnen hat sich
manch schöne junge Maid mit eingefunden. Manchen fällt der Abschied
schwer und ist froh, dass er auf meinen Vorschlag hin sich im Wartesaal
bei einem Hellen, Marke Isenbeck, besondere Abschiedsworte suchen kann.
Kurt erzählt besonders viel, denn außer seiner Braut hat sich auch sein
Schwiegervater zu diesem feierlichen Abschied eingefunden. Auf dem
Bahnsteig ist der Abschied so rührend, dass uns der Zugführer eine
besondere Einladung zum Einsteige geben muß. Langsam setzt sich der Zug
in Bewegung und die Mädchen mit den flatternden Taschentüchern
entschwinden unseren Augen. |
|
Unser erstes Ziel ist Wuppertal. Hier haben wir uns bei einem
Oberleutnant Weber, der gleichzeitig Führer des Feldgendarmerietrupp
2/57 ist, zu melden. Wir werden seinem Trupp zugeteilt. Ein älterer
Kamerad gibt uns die ersten Anweisungen und zeigt uns einen Raum, in dem
wir schlafen sollen. Am anderen morgen tritt der Trupp an. Die Kameraden
begrüßen sich und hier wird für die kommenden Zeit eine echte
Kameradschaft zugesichert. Bald kommt Oberleutnant Weber und erzählt uns
über den Zweck und die Aufgaben des Gendarmerietrupps. Gespannt hören
wir zu. Endlich soll das Geheimnis gelöst werden und nun sollen wir
wissen , was mit uns wird. Am 9.9.38 sollen wir Wuppertal verlassen. In
den kommenden Tagen haben wir unsere Tschakos gegen einen Stahlhelm
umzutauschen. Zeltbahn, Gasmaske und Kochgeschirr müssen auch noch
empfangen werden. Am vorletzten Tag ist die Übernahme von
Privatkraftfahrzeugen. Für uns ist dies das wichtigste, den wir sollen
ja diese Wagen fahren. 30 Wagen, Marke Adler-Junior, stehen am anderen
Morgen auf unserem Hof. Sie werden von Fachleuten gemustert. Mir wird
ein heller Wagen übergeben. Ein junges Mädel ist die Besitzerin und
wenig erfreut übergibt sie mir die Wagenschlüssel. Ich gebe ihr mein
Versprechen stets den Wagen so zu behandeln, wie man ein junges Mädel zu
behandeln pflegt. Auch wollte ich immer schreiben, wo ich mich mit dem
Wagen befinde. Sie wollte mir ihre Adresse sagen, jedoch füllten sich
ihre Augen mit Tränen und rasch verlies sie den Hof. Ich hörte nur noch
den Namen Lotte. |
Am gleichen Abend verpackten wir unsere Sachen in die Fahrzeuge.
In aller Frühe des nächsten Tages setzte sich der Gendarmerietrupp in
Marsch. Die erste Reise ist in Kassel beendet. In einem Vorort von
Kassel haben wir Privatquartier. Am folgenden Tage setzen wir unsere
Fahrt bis Erfurt fort. Sonnabend und Sonntag bleiben wir hier. Montag
geht die Reise weiter bis Greiz, wo wir für 14 Tage einquartiert werden.
Hier wird uns erst richtig klar, was eigentlich los ist. Wir empfangen
noch die letzten Teile unserer Ausrüstung. Wir werden unterrichtet und
es wird uns gesagt, dass unser Gendarmerietrupp der 1. Leichten Division
unterstellt ist. Wir werden als Wehrmachtsangehörige vereidigt und
verrichten unseren Dienst innerhalb der Division. Unsere Arbeit ist
Tankstellen und Verpflegungsstellen zu überwachen, Verkehrsposten
stellen und die Truppen an größeren Kreuzungen durchzuschleusen. Außer
dem Dienst hatte man auch für genügend Freizeit gesorgt. Da mich mein
PKW IX-202769 bis hierher so treu gebracht hat, wird er unter der
Patenschaft der Hammer Kameraden auf den Namen „Brave Lotte“ getauft.
Nach der Taufe erhält der helle Wagen einen grauen Anstrich. Beim
Anblick des Wagens mit dem neuen Anstrich erinnerte ich mich an die
blonde Lotte in Wuppertal und malte mir aus, was sie wohl für Augen
machen wird, wenn sie den Hellen als feldgrauen Krieger zurückerhält. |
Der Kontakt mit der Bevölkerung ist bald hergestellt. Die
kleinen Mädchen sind unsere besten Freunde geworden. So verleben wir
hier die schönsten Tage unserer Reise. Vielen Kameraden wird der
Reisberg in ewiger Erinnerung bleiben. Wer ihn nicht kennen gelernt hat,
ist sicher über 60 Jahre gewesen. |
Während die Tage in Greiz zu Ende gehen, tagten in München die vier
Staatsmänner der Westmächte, um über das Tschechen-Problem zu
verhandeln. Das Ergebnis ist bekannt und am 1.10.38 ziehen deutsche
Truppen in das Sudetenland ein. Wir Hammer Kameraden gehören zu der
Abteilung, die die dritte Zone besetzen und dürfen mit dabei sein, wie
Deutsches Land nach 20 jähriger Fremdherrschaft zum Mutterland
zurückkehrt. In Waithaus fahren wir fast an der Spitze der Division über
die Grenze. Vor uns fahren Panzerspähwagen und Tanks. Bis zur
Zollstation ist alles ruhig. Große Betonstücke liegen auf der Straße.
Betonsockel, die als Hindernisse bestimmt waren, haben unsere Pioniere
gesprengt. Die ersten Ortschaften, die wir erreichen, sind mit Blumen,
Fahnen und Girlanden geschmückt. Über der Straße hängen große Schilder
mit der Aufschrift: „ Wir grüßen die deutsche Wehrmacht und danken
unserem Führer„. Brausender Jubel klingt uns entgegen, Blumen,
Zigaretten und Obst wirft man in unsere Fahrzeuge. So geht unsere
unvergessliche Fahrt bis Haid. Haid ist eine kleine Stadt und hat sich
reichlich für unseren Empfang vorbereitet. Der Wettergott hatte es nicht
gut gemeint, nass bis auf die Haut nimmt uns die Bevölkerung von Haid in
Empfang. Auf dem Marktplatz machen wir halt und sitzen ab. Die
Bevölkerung bildet um uns einen Ring. Wir sind eingeschlossen von
glücklichen Menschen, deren Begeisterung kein Ende finden will. Blumen
werden an unsere Uniformen geheftet. Die Männer bieten Zigaretten und
Zigarren an, während die Frauen uns Butterbrote reichen. Der eine oder
andere von uns hat eine Flasche Pilsener erwischt. Der Oberleutnant gibt
bekannt, dass sich jeder sein Quartier selber suchen kann. Das Kommando
„Wegtreten“ ist noch nicht ganz ausgesprochen, da hat uns die
Bevölkerung an den Armen und bat uns, doch bei ihnen ins Quartier zu
kommen. Ein älterer Herr fasste mich an das Koppel und bat, doch bei ihm
ins Quartier zu kommen, seine Kinder würden sich freuen. Ich nahm das
Quartier dankend an. Seine Jungens, die bei ihm waren, trugen stolz
meine Ausrüstung (Stahlhelm und Gewehr) nach Hause. Ich hatte Glück, bei
netten Leuten ein gutes Quartier bekommen zu haben. Es wurde viel über
die Zeit gesprochen, die sie unter der Fremdherrschaft durchgemacht
haben. Sie bedauern es sehr, dass es an diesem Befreiungstage regnen muß.
Ich beruhigte sie, indem ich unter anderem sagte: „ Es sind ja nur
Benesch-Tränen“. In Haid blieben wir einige Tage und besetzten dann an
einem Sonntagmorgen die Stadt Mies. Der Empfang in Mies war noch
freudiger, weil die Bevölkerung noch sehr unter der Gewaltherrschaft der
Tschechen gelitten hatten. Sechs Stunden vor unserer Besetzung der
Stadt, hatten die Frauen und Mädchen für die Tschechen noch
Schützengräben auswerfen müssen. Nachdem der Einmarsch in Mies beendet
war, ging es wieder nach Haid zurück. Hier wurde der Gendarmerietrupp in
kleinere Gruppen aufgeteilt und zur Dienstleistung auf verschiedene Orte
verteilt. Von den Hammer Kameraden kam ich allein nach Plan und
verrichtete meinen Dienst bei einem Artillerie-Regt. . Durch
Sonderaufträge hatte ich Gelegenheit die bekannten Bäder Karlsbad und
Marienbad kennen zu lernen.
Der Rückmarsch in die Heimat kam
plötzlich. In Haid wurde der Gendarmerietrupp wieder zusammengezogen.
Hier traf ich auch die Hammer Kameraden wieder. Die Reise ging zunächst
bis Fulda, wo ein Ruhetag eingelegt wurde. Wir hatten über 400 km
zurückgelegt und hatten noch die gleiche Weite bis zu dem Endziel
Wuppertal zurückzulegen. In Wuppertal wurden die Ausrüstungsgegenstände
wieder abgegeben. Auch meine „ Brave Lotte“ wurde von ihrer Besitzerin
übernommen. Von Wuppertal traten wir mit der Eisenbahn unsere Heimreise
nach dem schönen Lippestädtchen Hamm an. |
|
In der Heimat angekommen
fing das alte Leben wieder an;
von der Wachtour A übernommen
geh ich Streife 10 nach Plan. |
Herbert
Schenk
Pol.
Wachtmeister
|
Den obigen Einsatz haben die Hammer Polizeibeamten Fellner, Riemann, Weber
und Schenk erlebt. |
|
|
|
|